Wärmedämmung: Irrweg oder Bauweise der Zukunft?
Die Wärmedämmung beseitigt die Schwächen des Massivbaus. Dennoch hat sie in unserer Gesellschaft keinen hohen Stellenwert. Dies ist fatal, weil die Energiewende ohne die Senkung des Energieverbrauchs nicht gelingen kann. Werner Eicke-Hennig hat sich die Argumente genauer angesehen.
Werner Eicke-Hennig studierte Stadtplanung und ist seit 1989 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt. Er hat das Impuls-Programm Hessen und die Hessische Energiespar-Aktion ins Leben gerufen. Email: eicke-hennig@unitybox.de
(13. Juni 2013) Das Neue ist immer hart umkämpft. Ab 1600 wurde in England Holz knapp und die Holzpreise stiegen über zwei Jahrhunderte doppelt so schnell wie die Lebenshaltungskosten. Einen Ausweg bot die billigere Kohle. Gegen den ungewohnten, übelriechenden Kohlenrauch hagelte es jedoch schnell Proteste: „Dieser schreckliche Rauch schwärzt unsere Kirchen, läßt unsere Paläste alt aussehen, ruiniert unsere Kleider“. 200 Jahre stritt man über die Frage, ob Kohlefeuerung gesundheitsgefährdend sei, das darauf gegarte Essen verdürbe, zu Ohnmachten und zu unerträglichen Gerüchen im Haus führe, die Umwelt verschmutze und somit abzulehnen sei. Diese alte Debatte ist in der Rückschau eher peinlich: Es sollte alles bleiben, wie es ist. Die auf der Kohle basierende Industrialisierung hielt das nicht auf.
Massivbau ersetzt Holzhäuser
Im Gebiet von Deutschland war ursprünglich die Holzbauweise vorherrschend. Noch im 15. Jahrhundert war das steinerne Haus eine Ausnahme. Die beginnende Industrialisierung fegte die Holzbauweise hinweg. Die billige Massenherstellung von Ziegeln und deren Transport durch die Eisenbahn führte dazu, dass Deutschland zwischen 1850 und 1920 im doppelten Wortsinn „massiv“ um- und ausgebaut wurde. Die Zahl der deutschen Großstädte wuchs bis 1930 von acht auf 50. Ein epochaler Wandel der Bauweise vom Holz- zum Massivbau setzte ein. Deutschland wurde Ziegelland. Der Massivbau war beständiger als der Holzbau und ermöglichte die mehrgeschossige Bauweise für eine wachsende Bevölkerung. Er beseitigte die Schwächen des Holzbaus, aber schuf auch neue Probleme.
Mangelhafte Wärmedämmung im Massivbau
Der Massivbau war wärmetechnisch mangelhaft. 1948 schrieb Leopold Sautter: „Als später in den Städten wegen der vielen Feuersbrünste Steinhäuser immer mehr aufkamen (…), beachtete man nicht, dass der Stein einen viel geringeren Wärmeschutz gewährt als das Holz. (…) Brennstoff stand zunächst in genügender Menge zur Verfügung und man wusste eben nicht, dass man viel weniger Brennstoff brauchte, wenn die Wände des Hauses wärmedichter wären.“ Fehlendes Wissen um wärmetechnische Zusammenhänge führten zur 38 cm dicken Vollziegelwand mit U=1,56 W/(m2K) als Maß des Wärmeschutzes für alle Bauteile. Dies fiel nicht auf, weil man sich bei der Beheizung stark einschränkte, um die Heizkosten zu begrenzen. Noch 1846 hielt der französische Physiker Pèclet 15 °C Raumtemperatur für „zweckmäßig“.
Deshalb verheizten Wohnbauten um 1900 nur 60 kWh/(m2*a). Dennoch verschlang die Gebäudeheizung um 1920 wegen der stark angewachsenen Gebäudemenge im Deutschen Reich rund 40 Prozent der Kohlemengen. Dr. Raisch mahnte folgerichtig 1927 an,
„dass unsere Kohle und die dafür aufzuwendenden Kosten nicht zu einer unsinnigen Beheizung des Weltalls vergeudet werden sollten.“ Die Mahnung kam nicht an. Der Wiederaufbau nach 1945, die industrielle Nachkriegsentwicklung und das „Sorglos-Öl“ der sechziger Jahre, ließen den Energieverbrauch steil ansteigen. Ab 1952 sollten schwächliche Anforderungen an den Wärmeschutz der Häuser nur die Tauwasserfreiheit im Haus sichern. Beim Thema „Energie sparen“ verwiesen die Ministerien auf die „Kohlehalden“. Die Wärmedämmung verblieb auf Vorkriegsniveau, verschlechtert um gravierende Wärmebrücken aus Beton, dem Verursacher zahlreicher Schimmelschäden.
Das Einkommenswachstum führte zur Zentralheizung mit Dauerheizung und höheren Raumtemperaturen. Die Bauweise aus dem 19. Jahrhundert traf auf moderne Beheizung. Die Folge war ein steigender Heizenergieverbrauch unserer Häuser auf rund 300 kWh/(m2*a) bis etwa 1970. Die Zahl der Häuser nahm rasant zu und beläuft sich heute auf 18 Millionen Wohngebäude und 1,5 Millionen Zweckbauten.
Erste Wärmedämmhäuser
Ab 1974 begann nach dem „Ölschock“ die Suche nach neuen Lösungen für einen sparsameren Energieverbrauch unserer Häuser. Mit dem „Niedrigenergiehaus“ und dem „Passivhaus“ entstanden in den neunziger Jahren energetische Neubaukonzepte, die ihren Erfolg auch in der Praxis zeigten. Im Gebäudebestand war man an die vorhandenen Massivbauten mit ihren Schwächen gebunden. Moderne Heiztechnik und die nachträgliche Verbesserung des Wärmeschutzes aller Außenbauteile ergaben auch hier ein funktionsfähiges Konzept. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft sanierte hunderttausende Altbauten zu Energiesparhäusern. Das Resultat kann sich sehen lassen: Halbierter Heizenergieverbrauch bei steigendem Komfort. Hier war das Wärmedämmverbundsystem, kurz WDVS, ein wichtiger Erfolgsfaktor, weil es eine kostengünstige Fassadendämmung möglich machte.
Der Ofen war der einzige warme Platz im Haus.
Wandel vom Massivbau zur Dämmbauweise
Mit diesen Erfolgen begann ein weiterer epochaler Wandel vom Massivbau zur Dämmbauweise. Er wird wie 1850 unterstützt durch die Verknappung und Verteuerung der fossilen Brennstoffe. Die Funktionsfähigkeit der baulichen Energiesparkonzepte bewies: Dem Wärmeschutz der Bauteile kommt in unserem Klima eine Schlüsselrolle zu. Bei neun Monaten Heizperiode und nur 1.500 Sonnenstunden im Jahr, heißt klimagerechtes Bauen, an erster Stelle Senkung der Wärmeverluste. Zusammen mit reduzierten Lüftungswärmeverlusten senkten Wärmeschutz mit U-Werten zwischen 0,1 und 0,25 W/(m2K) und moderne Verglasung mit 0,8-1,3 W/(m2K) den Heizenergieverbrauch um bis zu 90 Prozent. Die Wärmedämmung ist dabei ohne Alternative und Voraussetzung für einen erkennbaren Anteil erneuerbarer Energien im Wärmemarkt. Das verfügbare Brennholz reicht nur für weniger als acht Prozent unserer heutigen Gebäude aus, begrenzt durch Flächenverfügbarkeit und Emissionen.
Gegenstimmen zum Wärmeschutz
Die Bedeutung des Wärmeschutzes wurde in unserer Gesellschaft noch nicht erkannt. Das hängt auch mit unserer Wahrnehmung zusammen. „Der Feuchtigkeitsschutz (...) wurde immer im Bauwesen stark beachtet, weil ja das Eindringen der Feuchtigkeit sichtbare Schäden hervorruft, während das Abfließen der Wärme unsichtbar vor sich geht“, formulierte Sautter bereits 1948. An diesem Unverständnis setzen seit Jahren die Kräfte der Bewahrung an. Wie beim Übergang vom Brennholz zur Kohle, ertönen auch jetzt wieder Gegenstimmen, die sich an einzelnen Erscheinungen festmachen.
„Wärmeschutz funktioniert nicht“
Solange es keine gebauten Energiesparhäuser gab, hieß es, Wärmeschutz funktioniere nicht. Dieser Irrtum wurde später durch viele präzise Verbrauchsmessungen an gebauten Beispielen widerlegt. Heute ist jede in einem Energiesparhaus lebende Familie klüger, als die damaligen professoralen Skeptiker der universitären Massivbauinstitute.
„Die Wand muss atmen“
Auch das Argument von der „atmenden Wand“ wurde ausgegraben, das Prof. Pettenkofer 1860 in ganz anderem Zusammenhang formuliert hatte. Schon 1926 hatte Dr. Raisch durch Messungen bewiesen: Ein einziges Schlüsselloch ist mit 0,6 m2 Luft pro Stunde 60-mal luftdurchlässiger, als ein Quadratmeter geputzte und geweißte Wand. Weitere Autoren zeigten: Der Luftdurchgang durch Bauteile ist bei abgedichteten Fugen und Ritzen gleich null. Gerüche und Wasserdampf verschwinden nicht durch die Wand. Wer darauf hofft, gleicht einem Menschen, der sich Mund und Nase zuhält und die Atmung seiner Haut überlässt.
Die Wasserdampfdiffusion wurde gründlich falsch verstanden und gegen die Dämmung gewandt. Mittlerweile zeigen 600 Millionen Quadratmeter gedämmter Außenwandfläche keinerlei Diffusionsschäden.
Dämmung verschöbe „den Taupunkt“. Der ist jedoch wegen der dynamisch verlaufenden Temperaturen und Feuchten in den Bauteilen immer auf Wanderschaft. Die als atmungsfähig angesehene 38 Zentimeter dicke verputzte Ziegelwand weist in der DIN-Tauperiode rechnerisch 232 Gramm Tauwasser pro Quadratmeter auf, während dieselbe Wand mit zwölf Zentimetern Polystyrol außen gedämmt, tauwasserfrei bleibt. Mit dem üblichen Verständnis des Wasserdampftransports, bei dem fälschlich angenommen wird, die Moleküle würden per Druck durch die Wand bewegt, ist dieses DIN-Rechenergebnis unerklärlich. Also rechnet man erst gar nicht, dann hat man keine Erklärungsnot (erklärender Diffusionsfilm unter www.energiesparaktion.de). Dem Polystyrol wird die Eigenschaft „Plastiktüte, atmet nicht“, angehängt. Dass es die gleichen Diffusionseigenschaften hat wie Weichholz, Harthölzer sogar dampfdichter sind und es auch völlig diffusionsoffene Dämmstoffe gibt, warum sich damit belasten?
Für Schimmelschäden in Gebäuden wird immer noch die Dämmung verantwortlich gemacht. Während die Bauexperten im Innern der Bauteile nach Feuchtigkeit suchen, wächst der Schimmel auf der raumseitigen Oberfläche ungedämmter, kalter Bauteile, besonders auf den Wärmebrücken munter weiter.
Wärmespeicherung oder Wärmedämmung?
In den achtziger Jahren wurde die Wärmespeicherung gegen die Wärmedämmung gewendet. Warum aber hatten extrem wärmespeicherfähige Burgen beheizbare Zimmer, die Kemenaten? Wie kam es zu den Berichten über ritterliche Gelage, bei denen im Winter der Wein im Becher gefror? Warum kommt der schwere Baustoff Beton nicht ohne Dämmstoffe aus? Weil die Räume in den Massivbauten nach abendlichem Abstellen der Öfen sehr schnell auskühlten und morgens dann wieder lange aufgeheizt werden mussten. Dieses Nullsummenspiel erforderte sogar Leistungszuschläge bei den Wärmeerzeugern. Auch sollten Öfen mit inneren Eisen- und Tonkugeln als Mittel gegen die rasche Raumauskühlung dienen. Überdies sind unsere ungedämmten massiven Altbauten reich an Baumasse: Ein Einfamilienhaus wiegt rund 150 Tonnen. Aber sein Heizenergieverbrauch liegt bei 200-300 kWh/(m2*a). Wärmespeichernde Bauten sind das Problem und nicht die Lösung.
Gesundheitsgefahren durch Polystyrol-Dämmstoffe?
Die neunziger Jahre erlebten eine Debatte um Gesundheitsgefahren durch Dämmstoffe. Während man aus Polystyrolbechern Kaffee an mit Polystyrol-Lacken beschichteten Tischen trank, diskutierte man Innenluftbelastungen durch auf Wänden außen angebrachte Polystyrol-Dämmstoffe. Als dann endlich einmal am ersten Passivhaus in Darmstadt bei 28 Zentimeter WDVS aus Polystyrol die Raumluftbelastung mit monomerem Styrol gemessen wurde, gab es Entwarnung: Nach einer minimalen Anfangsbelastung des Neubaus waren schon sechs Monate nach Bezug die Innenluftwerte gleichauf mit der normalen Styrolkonzentration in der Außenluft. Aber da diskutierte man bereits Krebsgefahren aus Mineralfaserdämmstoffen. Da half es nichts, dass der Krebsforscher Prof. Pott, (Urheber des Asbest-Verbots), 1992 erklärte, er habe ein Krebsrisiko und keine Gefahr gemeint und dies auch nicht für die Bewohner, sondern für die täglich in der Mineralwollproduktion stehenden Arbeiter, damit diese besser geschützt würden. Es half nichts, die Glas- und Steinwollindustrie musste ihre Herstellungsrezepturen ändern.
Brandgefahr durch Dämmstoffe?
2012 flackerte eine Debatte um Brandgefahren von schwer entflammbaren Dämmstoffen auf. Bei drei größeren Fassadenbränden in 40 Jahren WDVS-Anwendungen waren zwei Tote zu beklagen. Die Todesfälle entstanden in einem Berliner Brandfall an einem Mehrfamileinhaus, bei dem alle Außen- und Innenwände beidseitig mit 2,5 Zentimeter dicken Holzfaserplatten ausgekleidet waren, die sich zuvorderst am Brand beteiligten. Die typische Erscheinungsform von Zimmerbränden, eine aus den Fenstern schlagende Flammwalze, verursacht durch aus dem Fenster strömende und außen entzündende Brandgase, wurden fälschlicherweise dem WDVS zugeordnet. Dass die Dämmung nur mit brannte, interessierte nicht. Und dass der Brand eines riesigen hölzernen Abfalllagers vor Wohnhäusern die Fenster-scheiben zum Platzen bringt und zum Zimmerbrand wird? Das sei natürlich nur durch WDVS auf der Fassade möglich. Die Feuerwehren argumentieren, der Brandverlauf habe sich durch Dämmprodukte generell geändert, da Hitze und Rauch erst spät aus dem Haus entweichen können. Das verändere die Art des Löschzugriffs, denn Dächer seien dichter, Wärmeschutzgläser platzten später. Aber solche Veränderungen gelten auch für andere Neuerungen, etwa massive Flachdächer, Wohnungen in Geschossbauten mit Stahlbetondecken oder Chemiefabriken und doch geben wir diese Techniken nicht auf. Durchgehende Brandriegel reduzieren die Brandgefahr von WDVS. Eine Schweizer Untersuchung zeigt, dass die Bewohner von Holzhäusern gegenüber dem Massivbau ein doppelt so hohes Todesrisiko durch Brände haben. Holzhäuser werden mental aber als „natürlich und wohngesund“ bewertet.
Hoher Energieaufwand für Dämmstoffherstellung?
Die Erstellung von Häusern ist mit nur 2,5 Prozent am jährlichen Primärenergieverbrauch Deutschlands beteiligt. Das hält Kritiker nicht davon ab, den Primärenergiegehalt von Dämmstoffen zu problematisieren. Dass mehr als zwei Drittel des Energieeinsatzes auf Beton, Mauerwerk, Stahl und Glas entfallen, ließ nicht etwa die Massivbaustoffe, sondern die Dämmstoffe ins Visier geraten. Man verglich wacker nur den Herstellungsenergieaufwand unterschiedlicher Bau- und Dämmstoffe miteinander, obwohl man diese Frage nur in einer den Nutzen einschließenden Bilanz lösen kann. Ein zwölf Zentimeter dickes WDVS aus Polystyrol spart, über 25 Jahre betrachtet, 23 mal mehr Primärenergie beim Heizen ein, als zu seiner Herstellung benötigt wird.
Veralgen wärmegedämmte Fassaden?
Neuerdings wird die mögliche Veralgung von mit WDVS gedämmten Fassaden zu einem Problem erklärt. Der wahre Tatbestand: Durch den wachsenden CO2-Gehalt der Atmosphäre, wachsen überall Algen, die das CO2 in Biomasse und Sauerstoff umsetzen. Gefördert wird das Algenwachstum auch durch die Rauchgasentschwefelung der Kraftwerke. Es veralgen langsam alle Außenbauteile, die eine gewisse Zeit nass sind. Bäume, Sträucher, Gehwege, Verkehrsschilder, Vorhangfassaden und kalte Giebeldreiecke von Mauerwerkswänden veralgen, nord- und westorientierte Klinkerfassaden werden grün, Schiefer- und Ziegeldächer auf der Wetterseite veralgen. Dieser Vorgang wird noch stärker werden. Den Blick dabei auf die gedämmten Fassaden zu verengen, ist nicht nur wegen der noch stärker veralgenden Dächer einseitig. Er ist auch ungerecht, weil wir durch Fassadendämmung den das CO2 liefernden Klimawandel ja begrenzen und diese Technik nun selbst von den Auswirkungen des fortgeschrittenen Klimawandels berührt wird. Bisher sind nur rund fünf bis zehn Prozent der Dämmfassaden betroffen. Deren Algenbewuchs ist ein optisches Problem, er zerstört nichts. Es ist wie immer: Neue Techniken bringen neue Probleme. An Abhilfe wird geforscht. Verkapselte, nur langsam auswaschende Algizide im Putz sind der Anfang. Unser Wasser wird noch lange durch Fungizide aus den Kosmetika und der Landwirtschaft belastet sein, wenn die Dämmfassaden keine Schadstoffe mehr abgeben, weil hier andere Lösungen gefunden sind.
Dämmung unwirtschaftlich?
Jede fortschrittliche Technik ist technischer Mehraufwand. Auch die „Holzsparkunst“ mit Ofen und Schornstein erhöhte die Bauausgaben gegenüber dem offenen Herdfeuer. Die Warmwasserzentralheizung brachte den nächsten Baukostensprung und setzte sich trotzdem durch. Natürlich ist bei 35 Pfennig pro Liter Heizöl die wirtschaftliche Dämmdicke eine andere, als bei 80 Cent pro Liter. Aber rüstet der bei 35 Pfennig in nur sechs Zentimeter Dämmung investierende Hausbesitzer 20 Jahre später bei 80 Cent Ölpreis seine Wand auf zwölf Zentimeter nach, hat er den insgesamt teuersten Weg gewählt. Dürfen also Techniken, die 50 und mehr Jahre genutzt werden, mit dem aktuellen Energiepreis bewertet werden? Antizipieren wir die zwei oder drei Euro, die ein Liter Heizöl in 20 Jahren kosten wird, für unsere heutigen Bauentscheidungen? Oder bauen wir heute billig um später teuer zu wohnen?
Und der Sondermüll?
Bei den umgangssprachlich als „Sondermüll“ genannten Materialien handelt es sich um Stoffe auf der Liste gefährlicher Abfallstoffe. Auf dieser Liste steht auch Mineralwolle und wird seitdem beim Hausabbruch getrennt entsorgt. Diese höchste Vorsicht auf Grund eines Verdachts auf dessen kanzerogene Wirkung spiegelt die Hysterie der Mineralwolldiskussions von 1990 wieder. Mineralwolle wird auch bereits recycelt. Hartschaum ist als Lebensmittelverpackung zugelassen. Auch kann er recycelt und bis zu zehn Prozent in neue Dämmstoffe überführt werden. Ein Deponieproblem durch Dämmstoffe gibt es nicht, denn sie bestehen zu 98 Prozent aus Luft, werden also zusammengepresst. Die Bauschuttdeponien sind demgegenüber überfüllt durch Erdaushub und groben Bauschutt.
Fazit
Wie der Massivbau die Schwächen des Holzbaus beseitigte, beseitigt die kommende Dämmbauweise die Schwächen des Massivbaus mit seinen Schimmelproblemen und seinem hohen Energieverbrauch. Das WDVS ist dabei eine sozialverträgliche Technik, weil sie ermöglicht, die vorhandene Bausubstanz weiter zu nutzen. Besonders wichtig ist eine handwerklich gute Verarbeitung. Wie Weiland in der Holzkrise, arbeiten sich die Kritiker der Dämmung an einzelnen Erscheinungen ab und begreifen das Wesen der Dinge nicht: Die Notwendigkeit dieser Entwicklung. Denn die Dämmbauweise bringt nicht nur mehr Behaglichkeit und Wohngesundheit in unsere Häuser. Sie löst auch das Ressourcen- und Umweltproblem in diesem Bereich. Mit ihr bauen wir Deutschland zu Ende – vorerst, denn Fortschritt ist immer.