Hochhaus wird zum Energiesparhaus
Was kommt heraus, wenn ein Energieberater Eigentümer eines 18-Familien-Hauses ist? Eine höchst interessante und sparsame Lösung, über die sich Mieter, Eigentümer und die Umwelt freuen können.
(19. Juni 2013) Carsten Mücke ist Versorgungsingenieur und Energieberater. Seit 2007 ist er freiberuflich als Energieberater tätig, vorher arbeitete er in einem Planungsbüro und später auch bei RWE. Ihm gehört ein 18-Familienhaus in Nordhorn. Es wurde in den 60er Jahren mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus errichtet.
Carsten Mücke | Versorgungsingenieur und Energieberater
Wärmedämmung spart 55 Prozent Heizkosten
Bereits in den Jahren 2002 bis 2004 verpasste Mücke dem Haus eine Wärmedämmung: Ein Wärmedämmverbundsystem mit einer Dämmschicht von 12 Zentimetern, wo es möglich war sogar 18 Zentimeter Dicke. Der Energieverbrauch sank allein schon dadurch von 300.000 Kilowattstunden auf jährlich 130.000 Kilowattstunden (ca. 100 kWh/m2), also auf 45 Prozent des Ursprungwertes. Der Energieverbrauch je Wohnung sank von 17.000 Kilowattstunden auf 7.000 Kilowattstunden. Die Miete erhöhte sich damals für jede Wohnung um 70 Cent je Quadratmeter monatlich. Die Gasrechnung sank dafür um 60 Cent je Quadratmeter, bezogen auf den heutigen Energiepreis. Jede Wohnung hatte eine eigene Gasetagenheizung. Der Vermieter war bei Defekten stets in der Pflicht.
Das Haus in Nordhorn
Umstellung auf zentrale Heizung
Ein zweiter Sanierungsschritt folgte 2012: Heizung und Warmwasser wurden zentralisiert. Kostenpunkt: 60.000 Euro. Dadurch sank die Heizleistung von 18 x 20 kW = 360 kW auf nur noch 65 kW. Im Haus gibt es also nur noch einen Heizkessel mit sage und schreibe 65 kW, der alle 18 Wohnungen mit Heizung und Warmwasser versorgt, also nur noch gut drei Kilowatt Leistung je Wohnung. Dieser Wert wird selbst von Experten als sehr niedrig eingestuft. Doch sogar im herben Winter 2012/13 gab es immer genügend Wärme und Warmwasser in allen Wohnungen.
Eine einzige Brennwerttherme versorgt 18 Wohnungen mit Wärme und Warmwasser
Es gibt nur noch einen Besuch des Schornsteinfegers alle zwei Jahr für 80 Euro, statt 18 Einzelbesuche jährlich in 18 Wohnungen mit 18 Heizungen. Jetzt braucht nur noch eine Heizung gewartet zu werden. Und auch das Gas kann günstiger eingekauft werden. Es wird zudem nur einmal ein Grundpreis bezahlt.
Die neue Heizung erhöhte die Miete um 13 Euro. Dem stehen die Energiekosteneinsparungen gegenüber, die Mücke mit 15 Prozent beziffert. Es könnte auch mehr sein (Einsparungen bei Schornsteinfeger, Heizungswartung, Gasgrundpreis und Gaseinkauf).
Dezentrale Warmwasserbereitung
Die Brennwertheizung im Keller erhitzt einen 750 Liter Heizungs-Pufferspeicher auf 55 Grad Celsius. Das warme Wasser zirkuliert im Haus. In jeder Wohnung gibt es eine Wärmeübergabe-Station, die das aktuell in der Wohnung gebrauchte Warmwasser frisch auf maximal 45 Grad erwärmt und die Wohnung zudem mit Heizungswasser versorgt. Dadurch gibt es kein Legionellenproblem und es gibt auch keine Wärmeverluste durch Zirkulationsleitungen.
Der Warmwasserkomfort hat sich für die Bewohner deutlich erhöht, da jeder Wohnung 30 kW Warmwasserleistung zu Verfügung stehen. Dies entspricht rund 17 Liter Warmwasser pro Minute.
Die abgegebene Wärme wird zudem für jede einzelne Wohnung durch einen Wärmemengenzähler genau gemessen. Jede Station schlug mit rund 800 Euro zu Buche (Hersteller: KaMo).
Blick auf die Heizentrale mit 750-Liter-Speicher
Nur vier Wohnungen gleichzeitig
Wenn jetzt alle 18 Wohnungen gleichzeitig duschen würden, gäbe es ein Problem. Aus Statistiken wusste aber Carsten Mücke, dass im Durchschnitt von allen 18 Wohnungen nur höchstens in vier Wohnungen gleichzeitig Warmwasser gezapft wird. Wenn mehr Wohnungen zur selben Zeit Warmwasser brauchen, dann sinkt die Warmwassertemperatur ab, ohne dass eine Wohnung ohne Warmwasser dasteht.
Neue Bäder
Mücke hat bei dieser Gelegenheit auch gleich die Bäder im Block saniert. Die ohnehin sinnvolle Renovierung erleichterte die Verlegung von neuen Heizungsrohren durch das Gebäude. Die neuen Bäder erhöhten die Mieten je nach Größe des Bades um 42 bis 46 Euro monatlich.
Hydraulischer Abgleich
Die Dimensionierung und Regelung der Heizungsrohre durch das Gebäude war eine besondere Herausforderung. Durch jede der 18 Wohnungen laufen normal je Stunde 100 Liter Heizungswasser. Wird viel Warmwasser gezapft, dann erhöht sich dieser Wert auf 700 Liter stündlich. Entsprechend dick mussten die Steigstränge dimensioniert werden.
Vorlauftemperatur 55 Grad, Rücklauftemperatur 25 Grad, dadurch volle Brennwertnutzung.
Alle Heizkörper wurden hydraulisch genau abgeglichen. Die Vorlauftemperatur beträgt ganzjährig 55 Grad Celsius. Durch diesen Abgleich werden dauerhaft Rücklauftemperaturen unter 30 Grad Celsius erzielt. Somit ist voller Brennwertnutzen und eine maximale Kondensation des Abgases gewährleistet.
Abrechnung
Die Abrechnung der Energiekosten für Heizung und Warmwasser macht Mücke selbst. Denn die 18 Wärmezähler in den Wohnungen liefern eine einfach verfügbare und genaue Grundlage.
Blick in die Zukunft
Durch das zentrale Heizsystem mit geringer Vorlauftemperatur können künftig auch andere Heizsysteme ergänzend zum Einsatz kommen. Mücke denkt dabei an ein BHKW, eine Brennstoffzelle oder eine Gaswärmepumpe.
Fazit
Das Beispiel zeigt, welche ungeahnten Möglichkeiten sich durch Sachkompetenz und Engagement eröffnen.