Drittes Richtlinienpaket
Drittes Maßnahme-Paket für Energie des Europäischen Parlaments vom 13. Juli 2009
Beschwerden: Verein diskutiert in Brüssel
(26. März 2012) Im November 2011 hat sich der Bund der Energieverbraucher in Brüssel bei der EU beschwert, weil Deutschland die von der EU vorgeschriebenen Regeln für den Energiemarkt bisher nicht umgesetzt hat (Az: ENER-CHAP (2012) 00501).
Am 2. Februar 2012 waren Dr. Aribert Peters und Gunnar Harms vom Vereinsvorstand bei der EU-Kommission Energie in Brüssel zu Gast. Die Beschwerden des Vereins wurden mit zwei Beamten erläutert und diskutiert. Am Rande ergab sich auch ein kurzes Gespräch mit Kommissar Günther Oettinger.
Energieverbraucher in Brüssel
Die Kommission prüft derzeit die Umsetzung des dritten Richtlinienpakets in allen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft. Einige Staaten haben noch gar nichts umgesetzt, in anderen Staaten wird geprüft, ob die Umsetzung den Forderungen der Richtlinien entspricht. Der Prüfung liegt ein Kriterienraster zugrunde. Für die Prüfung werden auch externe Gutachter eingeschaltet. Vertragsverletzungsverfahren sind diesbezüglich noch nicht eingeleitet worden. Einem solchen Verfahren gehen Anfragen der Kommission bei den Mitgliedsstaaten voraus. Solche Anfragen könnte es im Sommer 2012 geben. Über solche Verfahren gibt es keine öffentlichen Auskünfte. Lediglich eine Tabelle in Internet listet die laufenden Verfahren auf.
Zu unseren einzelnen Kritikpunkten wurde Folgendes diskutiert.
- Tatsächlich fehlt in Deutschland die von der Richtlinie zwingend vorgeschriebene Definition „besonders schutzwürdiger“ Verbraucher. Das räumten die Beamten ohne Einschränkungen ein. Ob diese Personen auch, wie von der Richtlinie vorgeschrieben, genügend vor Versorgungssperren geschützt sind, lässt sich derzeit nicht eindeutig beurteilen.
- Ein Anbieterwechsel ist in der Bundesrepublik nicht binnen der vorgeschriebenen Drei-Wochen-Frist möglich. Die Beamten räumten dies als Umsetzungsmangel ein, können dessen Bedeutung aber nicht absehen, weil es an praktischen Erfahrungen dazu fehlt.
- Die vorgeschriebene Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden von der Politik ist zumindest in den Bundesländern nicht gegeben. Für die Bundesebene gibt es unterschiedliche mögliche Sichtweisen.
- Die von der Richtlinie vorgeschriebene Transparenz von Tarifen und Vertragsbedingungen ist im deutschen Recht nicht vorgeschrieben. Diesen Punkt wird die Kommission nicht aufgreifen, weil sich derzeit der Europäische Gerichtshof damit befasst.
Der Bund der Energieverbraucher e. V. wird der Kommission weiteres Material zur Untermauerung der einzelnen Beschwerdepunkte zur Verfügung stellen. Allerdings äußerten sich die Beamten nicht, ob und wenn ja, in welchem Beschwerdepunkt die EU möglicherweise ein Vertragsverletztungsverfahren einleitet.
Darüber hinaus hat der Verein gegen die Befreiung der Großindustrie von den Netzentgelten der EEG-Umlage Beschwerde bei der Wettbewerbskommission eingelegt. Dabei handelt es sich um eine unzulässige staatliche Beihilfe. Dabei ist die Sachlage klarer: Die Wettbewerbskommission wird dazu die Stellungnahme der Bundesrepublik einholen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.
Scharfes aus Brüssel
Nach langen zähen Verhandlungen hat die EU am 13. Juli 2009 ein drittes Maßnahmenpaket beschlossen. Wie in den beiden Richtlinien zuvor hat Berlin im Interesse der Stromkonzerne allzu strenge Entflechtungsregeln verhindert. Das EU-Parlament hat jedoch die Verbraucherschutzregeln verschärft.
(18. Dezember 2009) Das sogenannte Dritte Binnenmarktpaket besteht aus fünf Richtlinien und Verordnungen, darunter Verordnungen zur Gründung einer EU-Agentur für die Zusammenarbeit der einzelstaatlichen Energieregulierungsbehörden, Änderungen und Ergänzungen zum Elektrizitätsbinnenmarkt und zum Erdgasbinnenmarkt, zum grenzüberschreitenden Stromhandel sowie zu den Erdgasfernleitungsnetzen.
Der beschlossene Kompromiss sieht unter anderem die Trennung des Netzbetriebs von Versorgung und Erzeugung von Strom und Gas vor. Er gibt den Mitgliedstaaten dazu die Wahl zwischen drei Optionen:
- eigentumsrechtliche Entflechtung
- unabhängige Netzbetreiber und
- unabhängige Übertragungsnetzbetreiber
Lauer Kompromiss
Die vollständige eigentumsrechtliche Entflechtung zwingt die Energiekonzerne, ihre Strom- und Gasübertragungsnetze zu verkaufen, so dass unabhängige Betreiber den Netzbetrieb übernehmen. Ein Energieversorger darf dann aber nicht die Aktienmehrheit an dem unabhängigen Netzbetreiber halten.
Umsetzung bis 3. März 2011
Alternativ dazu erlauben es die anderen Optionen den Energieversorgern, ihre Netze zu behalten. Um ihre Energiemärkte zu liberalisieren, können Mitgliedsländer ihre Energiekonzerne verpflichten, ihren Netzbetrieb von einer unabhängigen Gesellschaft durchführen zu lassen - dem unabhängigen Netzbetreiber.
Die dritte Option bewahrt die herkömmliche integrierte Konzernstruktur von Netz, Erzeugung und Versorgung. Sie zwingt jedoch das Unternehmen, verschiedene Regeln einzuhalten. Diese sollen garantieren, dass die beiden Unternehmensteile in der Praxis unabhängig voneinander arbeiten. In einer Mitteilung der Bundesregierung heißt es dazu ganz unverblümt: „Die Bundesregierung hat gemeinsam mit einer Gruppe von Mitgliedstaaten ihr Verhandlungsziel erreicht und die zwangsweise Eigentumsentflechtung der integrierten Energiekonzerne abgewendet. Daher hat sie den gefundenen Kompromiss akzeptiert."
Gestärkte Verbraucherrechte
Die Europaabgeordneten haben eine klare Stärkung der Verbraucherrechte durchgesetzt. Die neue Gesetzgebung gibt Kunden das Recht, ihren Gas- oder Stromanbieter innerhalb von drei Wochen kostenlos zu wechseln. Spätestens sechs Wochen nach einem Wechsel des Versorgers müssen die Kunden eine Abschlussrechnung erhalten sowie alle erforderlichen Gas- und Stromverbrauchsdaten. Auch wird ein Beschwerdeverfahren eingeführt, das die Verbraucher gegenüber den Energielieferanten stärkt (siehe So beschwert sich Europa).
Grundversorgung für alle
Die Mitgliedstaaten müssen weiterhin die Grundversorgung aller privaten Haushalte und kleinerer Unternehmen mit Elektrizität garantieren. Diese Kunden haben laut Europaparlament ein Recht auf Versorgung mit Elektrizität zu angemessenen und diskriminierungsfreien Preisen.
Auf Initiative der Europaparlamentarier enthält die neue Gesetzgebung spezielle Maßnahmen für „schutzbedürftige Kunden". Die EU-Staaten sollen demnach geeignete Maßnahmen ergreifen, um Energie-Armut zu bekämpfen.
Alle Mitgliedsländer müssen diese Verordnungen und Richtlinien bis 3. März 2011 verwirklichen. Ob es hierzulande pünktlich dazu kommen wird, ist jedoch fraglich, denn derzeit läuft gegen Deutschland vor dem EUGH ein Gerichtsverfahren der EU: Die Bundesrepublik hat bislang noch nicht einmal die Kundenschutzregeln des zweiten Richtlinienpakets umgesetzt.
Zum Dritten Richtlinienpaket gehören
- Verordnung (EG) 715/2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen
- Verordnung (EG) 714/2009 grenzüberschreitenden Stromhandel
- Verordnung (EG) 713/2009 zur Gründung von Agenturen für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
- Richtlinie 2009/73/EG für Erdgasbinnenmarkt
- Richtlinie 2009/72/EG für Elektrizitätsbinnenmarkt
Weitere Dokumente
- Strom-Richtlinie (3648/09, 10814/09 ADD1 REV 3),
- Gas-Richtlinie (3649/09, 10815/09 ADD1 REV1),
- Verordnung zur Schaffung einer EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) (3650/09, 10816/09 ADD1),
- Verordnung über die grenzüberschreitenden Zugangsbedingungen zum Stromnetz (3651/09, 10817/09, ADD1 REV2),
- Verordnung über die Zugangsbedingungen zu Gasnetzen (3652/09, 10818/09 ADD1).