Atomstrom: 40 Milliarden-Kosten für Steuerzahler
(17. September 2008) Jahrzehntelang ist Atomstrom in Deutschland massiv durch den Staat gefördert worden - er galt als sauber, kostengünstig und zukunftsweisend. Mehr als 40 Milliarden Euro gab allein der Bund nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bereits für die Förderung der Atomenergie aus.
Dazu kommen weitere Kosten für die Steuerzahler - beispielsweise durch verdeckte Subventionen beim Bau und Betrieb der Kernkraftwerke, Zahlungen der Bundesländer für den Abriss alter Anlagen und die Endlagerung von Atommüll. Frontal21 nennt unter anderem besonders teure Atom-Standorte in einer Übersicht.
KKW Hamm-Uentrop
Der THTR-300 war ein Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktor mit einer Leistung von 300 Megawatt. Er wurde als kommerzieller Reaktor geplant und sollte als Prototyp für Hochtemperatur-Reaktoren dienen. 1983 wurde er in Betrieb genommen, lieferte aber nur ganze 423 Tage Strom unter Volllastbetrieb.
Wegen Problemen mit der Technik wurde der Reaktor im September 1989 stillgelegt. Bundesregierung und das Land Nordrhein-Westfalen haben nach eigenen Angaben bisher mehr als 1,7 Milliarden Euro bereitgestellt, um den THTR-300 stillzulegen. 2027 frühestens kann er komplett abgerissen werden. Bis dahin fallen weitere Kosten für die öffentliche Hand an.
Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe
Die WAK wurde als Pilotanlage für die kommerzielle Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen errichtet. Bis Ende 1990 wurden dort etwa 200 Tonnen Kernbrennstoffe aus Forschungs- und Leistungsreaktoren der Industrie aufgearbeitet. 1991 wurde die WAK stillgelegt und wird seitdem vollständig rückgebaut. Die Kosten für den Abriss sind explodiert, weil es Probleme mit der Verglasung des Atommülls gibt. War anfangs von rund einer Milliarde Euro Kosten die Rede, stehen im aktuellen Kostenplan für den Rückbau inzwischen rund 2,2 Milliarden Euro. Von denen trägt der Bund die Hauplast, bisher 1,55 Milliarden Euro. Das Land Baden-Württemberg ist mit 125 Millionen Euro dabei. stillgelegte Wiederaufbereitungsanlage Karlsruhe.
Außerdem hat die Bundesregierung auch für weitere Kosten Gelder zugesichert. Das kritisiert der Bundesrechnungshof als "Blankoscheck" für die Rückbauunternehmen in einem internen Bericht, der Frontal 21 vorliegt. Die Kernkraftwerksbetreiber haben sich dagegen in Verträgen zusichern lassen, dass sie maximal 511 Millionen Euro beisteuern müssen.
Forschungszentrum Karlsruhe
Im FZK müssen außerdem neben der WAK weitere Reaktoren zurückgebaut werden. Dazu gehört der KNK-Versuchsreaktor mit "Schneller Brüter"-Technik und der Forschungsreaktor FR2, sowie die "Hauptabteilung Dekontaminationsbetriebe" (HDB).
Schließlich haben sich der Bund und das Land Baden-Württemberg verpflichtet, Kosten für Zwischen- und Endlagerung des atomaren Abfalls zu übernehmen - insgesamt bezahlt die öffentliche Hand hier 3,7 Milliarden Euro. Das geht aus Unterlagen der Finanzministerien in Berlin und Stuttgart hervor.
Kernkraftwerk Kalkar
Das Kernkraftwerk in Kalkar am Niederrhein ging nie in Betrieb. Wegen großer Proteste in der Bauphase, der nicht mehr vorhandenen wirtschaftlichen Notwendigkeit und politischer Bedenken wurde das Projekt 1991 eingestellt.
Durch die gewaltigen Kosten beim Bau und der anschließenden Bereithaltung für einen eventuellen späteren Betrieb wurde das Kraftwerk eine der größten Investitionsruinen Deutschlands. Die Bundesregierung hat nach eigenen Angaben 2,177 Milliarden Euro Steuergelder investiert. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung spricht von 3,6 Milliarden Euro Kosten. Heute ist das ehemalige Atomkraftwerk Kalkar ein Freizeitpark.
Kernkraftwerk Niederaichbach
Das Kraftwerk war von 1973 bis 1974 in Betrieb. Die in dieser Zeit erzeugte Energie entsprach gerade etwa 18 Tagen Volllast. Das Versuchskraftwerk sollte mit Natururan betrieben werden. Das technische Konzept war schnell überholt, weil angereichertes Uran inzwischen zur Verfügung stand und andere Reaktortypen einfacher zu betreiben waren. 135 Millionen Euro hat der Bund nach eigenen Angaben zur Verfügung gestellt, um das Kraftwerk bis 1995 abreißen zu lassen.
Forschungsendlager Asse
Das so genannte Forschungsendlager entpuppt sich immer mehr als die "problematischste Atomanlage Europas". So zumindest bezeichnet eine vom Bundesumweltministerium eingesetzte Forschungsgruppe die Asse. Zwischen 1967 und 1995 wurde hier erforscht, wie radioaktive Abfälle endgültig gelagert werden können.
Das Problem: Das Bergwerk ist löchrig wie ein Schweizer Käse, droht im Wasser abzusaufen, Fässer mit Atommüll rosten vor sich hin und verstrahlte Laugen tropfen und bedrohen das Grundwasser. Notwendig ist laut Bundesumweltministerium eine komplette Sanierung, nur weiß niemand genau, wie die aussehen soll und was sie kosten wird. Bisher plant der Bund nach eigenen Angaben mit rund 850 Millionen Euro.
Endlager Morsleben
Das Endlager in Morsleben wurde von der DDR als Endlager für atomaren Abfall für die Kernkraftwerke Greifswald, Rheinsberg und Rossendorf genutzt. Trotzdem ist es nicht nur eine Altlast. Denn trotz Sicherheitsbedenken, die schon zu DDR-Zeiten bekannt waren, wurden auch nach 1991 radioaktive Abfälle nach Morsleben verbracht. Der größte Teil des Atommülls stammt aus Kernkraftwerken in Westdeutschland. Möglich machten das Weisungen der damaligen Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU). Endlager Morsleben
Heute ist klar: Das ehemalige Bergwerk droht einzustürzen, radioaktive Lauge könnte das Grundwasser verseuchen. Die Sanierung kostet laut Bundesamt für Strahlenschutz mindestens 2,2 Milliarden Euro. Die Gebühren der Kernkraftwerksbetreiber reichen da bei weitem nicht aus. Für Tausende Kubikmeter Atommüll zahlte die westdeutsche Atomwirtschaft nicht mal 100 Millionen Euro.
Endlager Gorleben
Das Projekt Gorleben kostet nach Angaben der Bundesregierung bis 2008 rund 1,77 Milliarden Euro. Die zukünftigen Kosten hängen insbesondere von einer politischen Grundsatzentscheidung zum weiteren Vorgehen bei der Endlagerung hochaktiver, Wärme entwickelnder Abfälle ab.
Die Kosten werden gemäß Atomgesetz durch die Abfallverursacher in voller Höhe refinanziert. Der Anteil, der von den Einrichtungen der öffentlichen Hand für das Endlagerprojekt Gorleben nach der Endlagervorausleistungsverordnung zu zahlen ist, beträgt rund zwölf Prozent. Dazu kommen rund 410 Millionen Euro Ausgleichszahlungen des Bundes an das Land Niedersachsen. Völlig unklar ist die Finanzierung bei Störfällen wie in Morsleben oder der Asse.
Steuerausfälle
Energiekonzerne, die in Deutschland Kernkraftwerke betreiben, müssen so genannte Rückstellungen bilden. Die sollen für den Abriss oder Rückbau von Kernkraftwerken genutzt werden. Diese milliardenschweren steuerfreien Rückstellungen führten laut Bundesfinanzministerium bisher zu Steuerausfällen in Höhe von 8,2 Milliarden Euro.
Vor dem Europäischen Gerichtshof klagen andere Energieversorger wie beispielsweise Stadtwerke, dass diese Steuerfreiheit ein unzulässiger Wettbewerbsvorteil sei. RWE, Eon, EnBW und Vattenfall sehen das nicht so.
Euratom
Die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) wird über den allgemeinen Haushalt der EU finanziert, über so genannte Rahmenprogramme für Forschung und Entwicklung. Aus diesen Mitteln wird mit einem erheblichen Anteil die so genannte Kernfusionsforschung gefördert, darunter der Fusionsreaktor ITER in Cadarache in Frankreich.
Außerdem werden Forschungen zu Kernspaltung und Strahlenschutz bezahlt. Die 1,9 Milliarden Euro sind nach Frontal21-Berechnungen die Summe aus dem deutschen Finanzierungsanteil der bisherigen EU-Rahmenprogramme.
Finanzierung IAEO
Die Internationale Atomenergie Agentur soll die friedliche Nutzung der Kernenergie und der Anwendung radioaktiver Stoffe fördern. Gleichzeitig soll durch internationale Zusammenarbeit die militärische Nutzung dieser Technologie verhindert werden. Aus dem Haushalt der IAEO werden insbesondere so genannte "Safeguardprogramme" zur Nichtverbreitung von atomarer Technologie und für die Reaktor- und Endlagersicherheit bezahlt.
Außerdem fließen Gelder in den physischen Schutz kerntechnischer Anlagen und Kernmaterialien sowie in Verwaltungsaufgaben. Deutschland bezahlt Mitgliedsbeiträge seit 1957, laut Bundesregierung sind dies bisher 665 Millionen Euro gewesen.
Ausgaben des Bundes: über 40 Milliarden Euro Subventionen für Atomforschung
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat im Mai 2007 im Auftrag der Bundesregierung berechnet, mit wie viel Geld die Atomenergie in Deutschland bis heute gefördert wurde. Die Forscher kommen auf über 40,2 Milliarden Euro allein für die Ausgaben des Bundes.
Dazu kommen schwer zu ermittelnde Ausgaben der einzelnen Bundesländer. Außerdem gibt es versteckte Subventionen durch Steuervorteile für die Energiekonzerne beim Bau und Betrieb der Kernkraftwerke.
Rückbau DDR
Kernkraftwerke Auch die DDR hat Kernkraftwerke betrieben. Das größte stand in Lubmin bei Greifswald. Die Energiewerke Nord haben im Auftrag des Bundes Forschungs- und Leistungsreaktoren der DDR zurückgebaut.
Insgesamt rechnet die Bundesregierung nach eigenen Angaben mit Kosten von 3,2 Milliarden Euro. Bis 2007 wurden bereits 2,5 Milliarden Euro verbraucht. Das geht aus dem aktuellen Haushaltsplan der Regierung hervor.
Sanierung Wismut Die Wismut AG förderte in Thüringen und Sachsen zu DDR-Zeiten Uran ausschließlich für die Atomwirtschaft der ehemaligen Sowjetunion. Anders als heute üblich musste die Wismut AG keine Rückstellungen für die notwendigen Sanierungsmaßnahmen bilden. Deshalb war nach der Wende auch kein Geld für die den Rückbau und die Sanierung vorhanden.
Bis Ende 2007 wurde für Sanierungsmaßnahmen insgesamt etwa 4,9 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt ausgegeben. Für 2008 sind 170 Millionen Euro vorgesehen. So steht es im aktuellen Haushaltsplan der Bundesregierung. Für die noch ausstehenden Sanierungsarbeiten und die sich anschließenden Langzeitaufgaben sind nach Schätzungen der Bundesregierung weitere rund 1,3 Milliarden Euro erforderlich - für die DDR-Altlast also insgesamt 6,37 Milliarden Euro.