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Informierte Verbraucher wissen: Wer im Dschungel der Energieversorger trotz stets steigender gesetzlicher Abgaben nicht unnötig viel zahlen will, der muss seinen Versorger turnusmäßig wechseln.

Heute schon gewechselt?

Informierte Verbraucher wissen: Wer im Dschungel der Energieversorger trotz stets steigender gesetzlicher Abgaben nicht unnötig viel zahlen will, der muss seinen Versorger turnusmäßig wechseln. Was es dabei zu beachten gilt, erklärt ein Beitrag von Rechtsanwältin Leonora Holling.

(29. September 2014, ergänzt 05. Januar 2016) Verbraucherschützer raten nicht ohne Grund, nur Jahresverträge abzuschließen. Oft locken Versorger nämlich im ersten Belieferungszeitraum mit günstigen Angeboten Neukunden an. Nur um dann, in der Hoffnung dieser Neukunde wird den Vertrag stillschweigend weiter laufen lassen, umso drastischere Preiserhöhungen aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als verbindlich durchdrücken zu können. Dann wird das vermeintliche „Schnäppchen“ oftmals zur ungewollten Kostenfalle. Kündigen und wechseln ist dagegen das einzige Mittel.

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Leonora Holling | Buchautorin, Mitglied im Vorstand des Bundes der Energieverbraucher und hundertfach erfolgreiche Verbraucheranwältin.

Kündigung unmöglich?

Nach der Qual der Wahl, welcher Anbieter denn in der Folgezeit nun vielleicht wieder einen günstigeren Preis für seine Leistung anbietet, reibt sich so mancher Verbraucher erstaunt die Augen, wenn er nach einer ausgesprochenen Kündigung von seinem Versorger die erstaunliche Mitteilung erhält, seine Kündigung sei unwirksam. Wie kann das sein, wird sich der informierte Verbraucher fragen, dass meine Kündigung unwirksam sein soll? Da muss ein Fehler vorliegen! Eine Kündigung ist eine Kündigung, oder?

Das Kleingedruckte beachten

Grundsätzlich trifft diese Auffassung auch zu. Aber anders als etwa im Mietrecht, sind bei Energielieferungsverträgen bestimmte Sonderbedingungen zu beachten, die der Verbraucher regelmäßig beim Vertragsschluss ausdrücklich anerkennt. Diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen oft andere ordentliche Kündigungsbestimmungen vor, als sie etwa für den Verbraucher in der Grundversorgung nach der Grundversorgungsverordnung gelten. Dort ist eine Kündigung des Belieferungsvertrages innerhalb einer Frist von zwei Wochen zum Wunschtermin in Textform mittels Brief, Telefax oder E-Mail ausdrücklich möglich.

So kann die Kündigungsfrist abweichend geregelt sein, was rechtlich zulässig ist. Denkbar ist, dass die Kündigungsfrist zwei Wochen überschreitet. Eine Kündigungsfrist von „einem Monat“ entspricht rechtlich nicht vier Wochen, sondern bezieht sich tatsächlich auf ein konkretes Datum. Also, wer etwa zum 1. Februar eines Jahres wechseln will, der muss bis zum 31. Dezember des vorherigen Jahres die Kündigung beim Versorger erklärt haben.

Fristen einhalten

Besondere Beachtung erfordert eine Klausel im bisherigen Belieferungsvertrag, wenn die Kündigung auf ein Laufzeitende eines Vertrages zu erklären ist. Hier ist es leider unabdingbar, dass Verbraucher sich frühzeitig anhand eines Kalenders errechnen, wann diese Frist im Hinblick auf das Ende der Vertragslaufzeit endet.

Generell gilt hierbei, so früh wie möglich zu kündigen, da es auf den Zugang der Kündigung beim bisherigen Versorger ankommt, nicht auf die Absendung der Kündigungserklärung durch den Verbraucher. Verpasst man die Frist, hat dies unangenehme Folgen. Denn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen sehen in einem solchen Fall fast ausnahmslos eine Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr vor. Oft verbunden mit erheblichen und wirksamen Preisanstiegen.

Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen

Neben den ordentlichen Kündigungsmöglichkeiten haben Verbraucher bei Preiserhöhungen stets ein gesetzlich garantiertes Sonderkündigungsrecht (§ 41, Abs. 3 EnWG). Es greift, egal ob es sich um eine Grundversorgungs- oder einen Sondervertrag handelt. Von diesem Sonderkündigungsrecht sollten Verbraucher möglichst Gebrauch machen, bevor die Preiserhöhung wirksam wird. Gesetzliche vorgesehen Frist gibt es dafür allerdings nicht. Verbraucher in der Grundversorgung müssen von jeder Preiserhöhung 6 Wochen vorher schriftlich in Kenntnis gesetzt werden. Bei Sonderverträgen können diese Fristen kürzer oder länger sein und sind in den AGB oder dem Versorgungsvertrag festgelegt. Wurde der Verbraucher nicht ordnungsgemäß informiert oder wurde er nicht vom Versorger schriftlich auf sein Sonderkündigungsrecht hingewiesen, so braucht er den erhöhten Preis nicht zu bezahlen. Möglicherweise geht durch eine vorzeitige Kündigung ein Bonus verloren.

Umstritten ist, ob ein Sonderkündigungsrecht auch besteht, wenn die Preise infolge höherer Steuern oder Umlagen erhöht werden, etwa bei Änderungen der EEG-Umlage. Eine gesicherte Rechtsprechung gibt es hierzu nicht. Die Grundversorgungsverordnung spricht von einem Kündigungsrecht bei Preisänderungen, sodass auch diese aufgrund gesetzlicher Vorgaben erfolgten Preisänderungen umfasst sein dürften.

In allen Strom- und Gasrechnungen muss der nächstmögliche Kündigungstermin und die Kündigungsfrist angegeben sein (§ 40 Abs 1 EnWG). Das gilt für alle Strom- und Gasrechnung, also sowohl die Grundversorgung als auch Sonderverträge.

Kündigungsfristen in der Strom- oder  Gasgrundversorgung
Kündigungstermin Frist
Ordentliche Kündigung Jederzeit möglich 14 Tage
Kündigung nach Umzug Jederzeit möglich 14 Tage
Nach Preiserhöhung siehe ordentliche Kündigung

Bei Strom- oder Gassonderverträgen gelten die im Versorgungsvertrag oder den AGB vereinbarten Fristen.

Die Form wahren

Auch die Form der Kündigungserklärung ist zu beachten, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, von Verbrauchern oft unentdeckt, vorgegeben wird. Selbst bei sogenannten Online-Verträgen wird die Kündigungserklärung häufig abweichend unter das Erfordernis einer „Schriftform“ gestellt. Auch wenn dieses Erfordernis rechtlich umstritten ist und erst kürzlich vom Landgericht München I für nicht wirksam erklärt wurde (Az. 12 O 18571/13), sollten Verbraucher auf Nummer sicher gehen. Schriftform bedeutet, dass eine Kündigung weder per E-Mail noch per Computerfax erklärt werden kann. Eine Kündigung in Schriftform erfordert eine auf der Kündigungserklärung tatsächlich durch den Verbraucher aufgebrachten, eigenhändigen Unterschrift unter die Erklärung. Ein gewöhnliches Fax, also ein Schriftstück mit Unterschrift, dürfte genügen. Aus Beweiszwecken empfiehlt sich hier stets ein Brief, wobei jedoch die Postlaufzeiten zu beachten sind. Wird die Variante „Einschreiben“ gewählt, kann die Zustellung durchaus, wie die Erfahrung zeigt, auch eine Woche oder länger betragen.

„Selbst“ kündigen

Besondere Aufmerksamkeit wird der informierte Verbraucher auch bei der Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung, etwa bei Preiserhöhungen oder Wohnungswechsel, walten lassen müssen. Zunächst gilt generell, dass auch hier die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des bisherigen Versorgers gelesen und eingehalten werden müssen, ob und wie in einem solchen Fall ein Recht zur außerordentlichen Kündigung (Frist?/ Form?) besteht. Die Kündigungsfrist kann auf den Zeitpunkt der Veränderung der Versorgungsbedingungen lauten, mag aber auch zu einem früheren Zeitpunkt ablaufen. Häufig wird in diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur auf eine „Anzeigepflicht“ bei Wohnungswechsel hingewiesen. Tatsächlich gemeint ist jedoch das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Belieferungsvertrages, da der bisherige Vertrag an der neuen Abnahmestelle des Verbrauchers gar nicht weitergeführt werden kann.

2165 Schienen Weichen / Foto: Pixelio.de/Rudolpho Duba

Entscheidet sich der Verbraucher in solch einer Situation für einen Wechsel, sollte er die außerordentliche Kündigung auf jeden Fall selbst gegenüber seinem bisherigen Versorger vornehmen und keinesfalls – wie dies etwa viele Online-Portale als Service anbieten – seinem neuen, potentiellen Anbieter überlassen. Das Recht der außerordentlichen Kündigung steht nämlich in der Regel nur dem Kunden selbst zu und nicht dem neuen Anbieter wie bei der ordentlichen Kündigung. Erfährt der Verbraucher zu spät, dass sein neuer Lieferant nicht aufgrund erteilter Vollmacht den bisherigen Vertrag kündigen kann, läuft der Verbraucher Gefahr, die Kündigungsfrist zu verpassen.

Darüber hinaus besteht für Verbraucher in § 314 des Bürgerlichen Gesetzbuches ein sonstiges außerordentliches Kündigungsrecht. Dieses greift, sobald die Fortführung des Vertrages unzumutbar erscheint. In der Praxis sind jedoch kaum Fälle bekannt, in denen Gerichte über eine Unzumutbarkeit von  Energielieferungsverträgen entschieden hätten. Weder ungerechtfertigt überhöhte Abschlagsanforderungen noch ein ärgerliches Verhalten des Energieversorgers wie eine ausbleibende Reaktion auf berechtigte Beanstandungen, unbegründete Sperrandrohungen oder eine verspätete Abrechnung begründen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung. Dies gilt selbst dann, wenn zu besorgen steht, dass der Versorger insolvent werden könnte. Erst wenn tatsächlich eine vom Versorger zu vertretende Lieferungseinstellung erfolgt, etwa wegen Insolvenz, darf der Verbraucher sich sofort durch eine  außerordentliche Kündigung vom Vertrag lösen.

Den Wechsel planen

Informierte Verbraucher haben durch ihr engagiertes Wechselverhalten gegenüber Energieversorgern in den letzten Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass sich die Energiepreisspirale in den letzten Jahren nicht noch weiter zu ihren Ungunsten in die Höhe geschraubt hat. Damit dies auch so bleibt, müssen wir alle, die wir uns stetig steigenden Energiepreisen ausgesetzt sehen, intensiv um den Wechsel zu Anbietern bemühen, die günstigere Preise anbieten. Damit der Wechsel auch funktioniert, ist es unabdingbar, dass jeder von uns Verbrauchern genau im Auge behält, wann und wie er seinem bisherigen Anbieter die Kündigung seines Versorgungsvertrages erklären kann. Dafür ist es leider, jedenfalls außerhalb der Grundversorgung, unverzichtbar, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des aktuellen Versorgers zu kennen.

Wir raten Ihnen dringend, sich für Ihren jeweiligen Vertrag diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet herunterzuladen und auszudrucken oder sich mit dem eigentlichen Vertrag übersenden zu lassen. Denn jeder Vertragsschluss bedeutet, den Wechsel gleich mit zu planen und zu wissen, wann und wie Sie rechtsverbindlich wechseln müssen.

Dann können Sie die Frage „Heute schon gewechselt?“ mit einem kurzen Achselzucken abtun: „Aber klar! Sie auch?“

Nachsatz: Der Bund der Energieverbraucher pflegt ein Archiv mit aktuellen und zurückliegenden AGB ausgewählter Versorger und hilft seinen Mitgliedern gerne bei der Suche, wenn die eigenen Unterlagen Lücken aufweisen.

Tipp

Sofort kündigen ist sicher und spart das Erinnern. Kündigen Sie noch heute die Verträge, die Sie ohnehin beendigen wollen. Spätestens Morgen! Zu früh kann man nie kündigen. Bei Verträgen mit Bonusversprechen kündigen Sie zum Ende des ersten Vertragsjahres.

letzte Änderung: 10.06.2024