Schlechte Luft im Klassenzimmer
Fenster auf, Mief raus und Frischluft rein? Im Winter nutzt die Fensterlüftung in Schulen nichts. Spezielle Lüftungsanlagen sind nötig.
(7. Juni 2011) In Deutschlands Schulen herrscht im wahren Wortsinn dicke Luft, und die ist auch mit gut gemeinten Bildungsreformen nicht aufzulösen: Die lufthygienische Qualität ist schlicht verheerend. Betrachtet man alle veröffentlichten Messungen zur Luftqualität an deutschen Schulen, lässt sich grob zusammenfassen:
Im Jahresmittel ist die Luft in den Unterrichtsräumen überwiegend zu schlecht: Im Winter wird die sogenannte Pettenkofer-Zahl, ein Maß für die Luftqualität (Erläuterung siehe Frische Luft kommt nicht von selbst) in mehr als 80 Prozent der Unterrichtszeit überschritten.
Luftqualität und PISA-Studie
Die Folge einer überhöhten CO2-Konzentration in Klassenzimmern sind fatal: Konzentrationsschwächen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Belästigung durch Körpergerüche. Umgekehrt ist erwiesen, dass sich das Lernvermögen und die Konzentrationsfähigkeit von Kindern deutlich und nachhaltig verbessert, wenn die Luftqualität in den Klassenräumen optimal ist.
Dass die skandinavischen Länder bei den PISA-Studien besser als Deutschland abschneiden, könnte auch damit zusammenhängen, dass dort höhere Anforderungen für die Luftqualität in Schulen gelten als hierzulande. Anders als in Deutschland nutzt Skandinavien schon lange Lüftungsanlagen in Schulgebäuden.
Vorbild 19. Jahrhundert
Was kaum einer weiß: Wir waren schon einmal weiter. „Die Luft der Schulzimmer ist sorgfältig geprüft worden, um festzustellen, in wieweit vielfach laut gewordene Klagen über die schlechte Luftbeschaffenheit begründet seien." Dieser Satz stammt aus dem Artikel „Ventilation von Schulzimmern betreffend", erschienen im „Schweinfurter Tagblatt" am 2. November 1871. Der fränkische Architekt Werner Haase hat jüngst bei einem Passivhaus-Kongress in Stuttgart aus diesem Beitrag zitiert. Aber Haase, dessen Büro sich mit der energetischen Sanierung von Schulen einen Namen gemacht hat, fördert noch mehr interessantes Archivmaterial zutage. Etwa § 9 eines schulamtlichen Erlasses der königlichen Regierung der Oberpfalz aus dem Jahr 1884. Dort heißt es: „Zur Erzielung der notwendigen Lufterneuerung sind Ventilationskamine herzustellen." Und weiter: „Der Luftkamin muss zur Ableitung der verbrauchten Luft im Schulzimmer zwei Öffnungen haben: die eine zunächst dem Fußboden, die andere zunächst der Decke." Ähnliche Verordnungen gab es auch in anderen deutschen Ländern.
Schlechte Luft im Klassenzimmer wird nicht ernst genommen!
Oft wurden solche Luftkamine später zugemauert, weil man deren Bedeutung nicht kannte. In Detmold zum Beispiel ließ die Leitung der Musikschule Woldemarstraße, einem Gebäude von etwa 1900, die Luftkamine in jedem Klassenraum zumauern oder missbrauchte sie als Kabelschächte. Der Energieberater konnte sich bei der umfassenden energetischen Sanierung des Gebäudes leider nicht mit seiner Empfehlung durchsetzen, diese Luftkanäle zu reaktivieren. Man hätte problemlos auf dem großen Dachboden an alle Abluftschächte einen Sammler und eine Lüftung mit effizienter Wärmerückgewinnung anschließen können und die Klassenzimmer mit vorerwärmter Luft durch die parallalen Zuluftschächte belüften. Stattdessen ließ man die Handwerker alles abdichten – mit der Folge, dass nun Musiklehrer wie Schüler über sehr schnell dick werdende Luft klagen. Wegen des Verkehrslärms ist es nicht möglich, den Unterricht bei geöffneten Fenstern abzuhalten.
Luftdichte Hülle verstärkt das Problem
Experten empfehlen, in alten Schulgebäuden nach ungenutzten alten Luftschächten zu suchen. Möglicherweise lassen sie sich reaktivieren. Doch auch in neuen Schulgebäuden reichen geöffnete Fenster meist nicht aus, um die Frischluftzufuhr sicher zu stellen. Die energetische Sanierung von Bestandsschulen verschärft das Problem, denn starke Dämmung und hochwertige Fenster verringern, dass wie früher Außenluft durch undichte Stellen einströmt und somit die Belüftung verbessert.
Weitere Informationen
- Bundesgesundheitsblatt: Gesundheitliche Bewertung von Kohlendioxid in der Innenraumluft
- Zeitschrift HLK 10/2007: Artikel "Untersuchung der Luftqualität in einem Passivhaus" (PDF)
Aktion: Kampf dem Mief
Der Bund der Energieverbraucher e. V. startet die neue Aktion: „Kampf dem Mief": Der Verein hilft seinen Mitgliedern beim Kampf gegen schlechte Luft. Dazu verleiht der Verein kostenlos CO2-Messgeräte. Die Firma TFA-Dostmann unterstützt die Aktion.
Das Messgerät „Air CO2ntrol 3000" misst die CO2-Konzentration und erfasst Veränderungen im Lauf der Zeit, denn es speichert die Messwerte im 30-Minuten-Takt. Das Gerät kostet etwa 200 Euro. Der Verein verleiht es für jeweils fünf Tage kostenlos an seine Mitglieder. Bei Interesse bitte das Formular ausfüllen und absenden.