Wird ein Drittel der Heizenergie verschwendet?
Kritische Fragen zur Heizung, beantwortet vom Energieexperten Dietrich Beitzke.
(24. September 2003)
Dietrich Beitzke
Stimmt es, dass selbst moderne Heizungen den Brennstoff oft nur zu 60 bis 80 Prozent nutzen?
Die Zahl stimmt leider. Sie stecken ein Jahr lang vorne 100 Prozent Energie rein, beim Heizkörper kommen nur noch 60 bis 80 Prozent an. Diesen Prozentsatz bezeichnet man als "Jahresnutzungsgrad" der Heizanlage. Firmen, die vom Wärmeverkauf leben und die gelieferte Wärme messen, haben das schon leidvoll erfahren müssen.
Wo bleibt die ungenutzte Energie?
Die Wärme wird vom Kessel in den Heizraum abgestrahlt, geht teilweise beim Transport zwischen Kessel und Heizkörper und auch durch den Schornstein ungenutzt verloren. Ein Schwachpunkt bei allen Anlagen ist die Verteilung der Wärme. Jedes einzelne Glied in der Kette hat für sich Wirkungsgrade von etwa 90 Prozent, aber diese multiplizieren sich eben, so dass man schnell bei nur noch 60 Prozent Jahresnutzungsgrad landet.
Wie sieht es mit dem Schornstein aus? Wie viel geht dort dem Haus an Energie verloren?
Durch den Schornstein geht mehr Energie verloren, als man gewöhnlich glaubt. Denn der vom Schornsteinfeger gemessene Abgasverlust von zum Beispiel sieben Prozent gilt nur, wenn der Brenner läuft. Das sind aber nur 1.500 Stunden, also 17 Prozent des Jahres. In der Startphase der Heizung ist der Abgasverlust sehr viel höher und viel Energie entweicht dann über den Schornstein ungenutzt. Das summiert sich, denn eine Heizung startet viele tausend Mal im Jahr.
Hat ein Weniger an Abgasverlust einen wesentlichen Einfluss?
Der Abgasverlust und der so genannte "Feuerungstechnische Wirkungsgrad" (FTW) wird gemessen, wenn die Heizung mit voller Kraft läuft. Strahlungsverluste von Kessel und Leitungen treten jedoch immer auf, wenn irgendwo etwas warm ist. Der FTW hat wenig Einfluss auf den Jahresnutzungsgrad: Verändern Sie den CO2-Gehalt um ein Prozent, verändert sich der Abgasverlust um etwa sechs Prozent, der Kesselwirkungsgrad aber um nur 0,3 Prozent.
Verbraucht der Heizkessel auch Energie, wenn er nicht in Betrieb ist?
Wenn der Brenner stillsteht, dann tritt dennoch ein Energieverlust auf: Der so genannte "Bereitschaftsverlust". Für einen neuen Kessel mit 15 Kilowatt Leistung liegt er zum Beispiel bei 1,7 Prozent der Kesselleistung. Das hört sich gering an. Aber dies bedeutet im Beispiel während des Kesselstillstands einen ständigen Verlust von 15 Kilowatt mal 0,015 = 255 Watt.
Das ist sozusagen der "Stand By-Verbrauch" des Kessels. Er summiert sich über eine Heizperiode mit Stillstandszeiten von 200 Tagen mal 24 Stunden zu einem Verlust von 1.200 Kilowattstunden, also 120 Liter Öl. Das ist ein ganz beachtlicher Wert. Für ältere Kessel liegt der Bereitschaftsverlust um ein Mehrfaches höher (Grafik). Bei größeren Kesseln ist der Verlust zwar prozentual geringer, aber absolut deutlich höher.
Fazit: Eine verbesserte Kesselisolierung und eine geringere Kesselleistung bringt übers Jahr mehr als ein geringerer Abgasverlust und das letzte Prozent FTW.
Durchschnittswerte für Heizkessel mit Gebläsebrenner bei einer mittleren Kesselwassertemperatur von 67,5 C (78/60 C)
Gibt es anerkannte Verfahren zur Messung des Jahresnutzungsgrades?
Der Jahresnutzungsgrad setzt die in einem Jahr erzeugte nutzbare Wärme ins Verhältnis zur eingesetzten Brennstoffenergie. Die Brennstoffenergie kann dabei durch eine Gasuhr oder einen Ölmengenzähler gemessen werden und die tatsächlich abgenommene Wärmeenergie kann über einen Wärmemengenzähler nach der Verteilung gemessen werden. In den Datenblättern findet man nur den "Norm-Nutzungsgrad" (NNG) angegeben. Dieser ist wiederum unter Prüfstandbedingungen nach der DIN 4702 Teil 8 ermittelt worden.
Dies hat mit dem tatsächlichen Heizungsbetrieb nicht das Geringste zu tun. Es wird dabei zum Beispiel angenommen, dass an 120 Tagen der Brenner zu 13 Prozent ausgelastet wird. Dabei wird, so die Norm, das Wasser vom Brenner auf 27 Grad erhitzt und kommt nach Durchströmen der Heizkörper (Rücklauf) mit einer Temperatur von 25 Grad wieder zurück. Dabei ergibt sich ein Wirkungsgrad von 96 Prozent. Jede Heizung arbeitet praktisch in diesem Bereich jedoch mit einer Temperaturspreizung von zehn bis 20 Grad anstelle von zwei Grad und das Wasser wird meist mindestens auf 40 Grad erwärmt.
Die getesteten Normnutzungsgrade von Heizkesseln nach DIN liegen über 90 Prozent. Wie verträgt sich das mit dem meist viel geringeren Jahresnutzungsgrad zwischen 60 und 80 Prozent?
Wie gerade dargestellt haben die Normnutzungsgrade nach DIN mit den tatsächlichen Jahresnutzungsgraden einer Heizanlage kaum etwas zu tun, weil die Heizanlage unter völlig anderen als den Testbedingungen betrieben wird. Ein Verfahren, dass die Heizanlage unter praxisnahen Bedingungen testet, gibt es nicht. Jedoch betreibt die Regelung von Bajorath die Heizung unter Bedingungen, die den DIN-Testbedingungen nahe kommen und auch zu entsprechend hohen Jahresnutzungsgraden kommen.
Stimmt es, dass ein Öl- oder Gaskessel jährlich zirka 40.000 Mal startet?
Das gibt es - und jedes Mal kommt beim Start eines Ölbrenners eine Rußwolke raus, so etwa wie wenn Sie beim Dieselauto voll beschleunigen. Das kostet auch entsprechend. Bei nur drei Starts stündlich und 220 Heiztagen ergeben sich bereits 16.000 jährliche Starts. Der deutsche Mittelwert liegt bei etwa 20.000 jährlichen Starts - immer noch zu viel. Der Brenner arbeitet dann jeweils 4,5 Minuten lang. Bei 2.000 Starts läuft der Brenner jeweils im Mittel 45 Minuten lang. Das lässt sich nur durch die Bajorath-Regelung erreichen.
Wie wirkt sich eine Veränderung der Brennerleistung auf den Nutzungsgrad aus?
Sehr stark bei vorlaufwitterungsgeführten Heizungsanlagen. Sehen Sie sich das Auslastungsdiagramm der DIN 4702 zur NNG-Bestimmung an, dann finden Sie dort den Block mit 119,7 Tagen zu 13 Prozent Auslastung. Das heißt, dass Sie fast die halbe Heizzeit mit nur 13 Prozent Kesselleistung auskommen. Weniger Leistung heißt als Erfolg lange Laufzeiten mit nur wenigen Starts am Tag.
Welche Heizleistung wird wie lange im Jahr gebraucht? Die Antwort gibt das Diagramm aus der DIN 4702.
Maximaler spezifischer Wärmebedarf nach DIN
Gebäude | bis 1958 | ab 1995 |
Einfamilienhaus | 180 | 60 |
Mehrfamilienhaus | 120 | 40 |
Anhaltswerte in Watt pro Quadratmeter, Mein Radikalrezept: Halbe DIN-Dimensionierung! Den Grund sehen Sie in der Grafik „Auslastungsdiagramm der DIN 4702)
Wie kann man zu einer besseren Nutzung des Brennstoffs kommen?
Durch lange Brennerlaufzeiten verringert sich die Zahl der Brennerstarts. Auch verkürzen sich die Stillstandszeiten. Einige Kessel-/ Regelungshersteller verneinen das aber vehement. Wenn man das umsetzen will, wird`s kompliziert...
Anlagentechnisch kann man das nämlich nur mit einem Bündel an Maßnahmen in den Griff kriegen:
- Keine Überdimensionierung, weil ein Kessel mit großer Leistung viel häufiger still steht und öfter taktet. In Einfamilienhäusern sind die Heizkessel meist doppelt so groß, wie sinnvoll und erforderlich. Denn der maximale Heizwärmebedarf wird durch immer bessere Isolierung geringer, während der Bedarf an warmem Wasser wächst. Für eine kurze Brauchwasservorrangschaltung benötigt man jedoch immer eine wesentlich höhere Leistung, um die Vorrangzeit möglichst kurz zu halten.
- Hydraulischer Abgleich - damit die teure Wärme auch zur gleichen Zeit überall dahin kommt, wo man sie haben will (vergleiche Begriffserläuterung).
- Nur heizen, wenn man es wirklich nötig hat gerade in der kurzfristigen Totalabschaltung während der Übergangszeit liegen schon 27 bis 35 Prozent Ersparnis drin, meist über einen Dreh am Regler erreichbar.
- Regelung immer zuerst knapp einstellen. Bei der Heizungsregelung kann man zwischen verschiedenen Heizkurven auswählen. Damit bestimmt man, wie hoch der Kessel bei einer bestimmten Außentemperatur heizt. Man wähle die geringstmögliche Kesseltemperatur, also die flachste Heizkurve. Das macht aber keine Firma. Nicht sichtbare Überschüsse muss der Kunde (!) teuer bezahlen.
- Einen Brennwertkessel einsetzen mit einem modulierenden Brenner - die schnellste Möglichkeit, etwas von seinem Geld wiederzusehen. Denken Sie bei der Frage auch an das Bajorath-Verfahren : Das schafft es, mit verfahrenstechnischen Änderungen und einer besonderen Regelung auch alten Kesseln 30 Prozent Ersparnis abzupressen, indem er sie quasi unter den Prüfstandsbedingungen des Norm-Nutzungsgrades laufen lässt .
Welchen Effekt haben Keramikeinsätze? Sind sie zu empfehlen?
Es kann sein, dass diese bei einigen älteren Kesseln eine Verminderung der Starthäufigkeit ergeben, weil sie eine Art Wärmepuffer darstellen. Ich meine aber, dass Geld in einer guten Regelung besser angelegt ist, weil man deren Wirkung selber beeinflussen kann.
Kann die Leistung handelsüblicher Gas- und Ölbrenner verändert werden?
Normale Öl- und Gasbrenner haben nur eine feste Leistungsstufe, die aber vom Installateur eingestellt werden kann. Oft wird die Leistung unter elf Kilowatt herunter geregelt, weil dann die Verpflichtung zur wiederkehrenden Messung durch den Schornsteinfeger entfällt. Die meisten Brennwertgeräte können die Leistung während des Betriebs in bestimmten Grenzen anpassen. Durch von vornherein zu hohe Dimensionierung bleibt dieser Vorteil oft ungenutzt.
Welche Anforderungen ergeben sich daraus an die Heizungssteuerung?
Ein kleinerer Kessel hat eine langsamere Aufheizung. Die nächtliche Absenkung der Temperatur sollte deshalb kürzer gewählt werden und die Heizung muss morgens früh genug wieder anspringen. Denn die Aufheizung kann eine bis drei Stunden dauern. Bei meiner Radikallösung (Kasten oben) dürfen Sie die Heizung an den wenigen richtig kalten Tagen nicht in die Absenkung gehen lassen, sonst wird es nicht mehr warm. Dafür sparen Sie aber an allen anderen Heiztagen.
Kann der Verbraucher den Jahresnutzungsgrad durch einfache Maßnahmen, Umbauten oder sein Heizverhalten verbessern?
Heizgrenze der Regelung an das Haus anpassen und die Totalabschaltung der Regelung nutzen. Die Regelung richtig einstellen. Die Heizung hydraulisch abgleichen. Besser noch eine rücklaufgeführte Regelung einsetzen.
Wichtige Begriffe, was bedeuten sie?
Wirkungsgrad: Das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand, Kurzzeichen eta, Wert immer unter eins. Nutzungsgrad ist das Verhältnis von genutzter Heizwärme zu zugeführter Feuerungswärme über ein Heizjahr
Anlagenwirkungsgrad: Wirkungsgrad einer gesamten Anlage : Von der Einspeisung bis zum Heizkörper
Feuerungstechnischer Wirkungsgrad (FTW): Er wird vom Schornsteinfeger gemessen und darf bestimmte Grenzwert nach Bundes-Immissions-Schutzgesetz nicht überschreiten. Viele Verbraucher gehen fälschlicherweise davon aus, dass dies der entscheidende Faktor für eine rationelle Energieausnutzung ist. Der FTW bestimmt die Höhe des Abgasverlustes, der nur entsteht, wenn der Brenner läuft. Wird oft mit der Effizienz der gesamten Heizungsanlage verwechselt. Die Verbesserung des FTW um ein Prozent bringt nur eine Verbesserung des Kesselwirkungsgrades um etwa 0,3 Prozent, also kaum merkbar. Die Strahlungsverluste des Kessels bleiben beim FWT unberücksichtigt.
Kesselwirkungsgrad: Wirkungsgrad bei Nennlast, liegt heute bei Kesseln um die 88 bis 90 Prozent. Er berücksichtigt den Abgas- und den Strahlungsverlust des Kessels bei Nennlast.
Norm-Nutzungsgrad:
Der Jahresnutzungsgrad nach Heiz-Normbedingungen, wie er in der DIN 4702-8 als Kessel-Vergleichsverfahren festgelegt ist:
Brennleistung | 13 % | 30 % | 39 % | 48 % | 63 % | Mittel |
Vorlauf | 27 | 37 | 42 | 46 | 55 | |
Rücklauf | 25 | 32 | 36 | 39 | 45 | |
Differenz | 2 | 5 | 6 | 7 | 10 | |
Wirkungsgrad (HU) % | 96 | 95 | 94 | 93 | 92 | 94 |
Der Mittelwert wird von den Herstellern veröffentlicht und liegt bei 92 bis 107 Prozent (Brennwert). Je höher die Temperaturen, deso schlechter der NNG
Jahresnutzungsgrad (bei Anlagen): Das Verhältnis von genutzter Heizwärme zu zugeführter Feuerungswärme über ein Heizjahr. Kaum einer kennt ihn, er ist nur in Anlagen mit Wärmemengenzähler messbar. Ist der wichtigste Faktor, um die Effizienz einer Anlage zu erkennen.
Hydraulischer Abgleich: Das ist die Banlance von Widerständen: In hydraulischen Netzen hat jeder Kreis seinen eigenen Widerstand. Dieser Widerstand bestimmt die Durchströmung des Kreises. Der Widerstand wächst quadratisch mit der Fließgeschwindigkeit des Wassers – und mit der fünften Potenz (32-fach) zum Volumen. Man kann sich das genauso wie in einem elektrischen Schaltkreis vorstellen: I =U/R.
Die Balancierung liegt jetzt darin, die einzelnen Kreise und Netzteile widerstandsmäßig so abzugleichen, dass sie bei Nennvolumen gleichmäßig durchströmt werden; also die korrekte Verteilung der passenden Wassermengen! Durch die sich ständig veränderten Stellungen von Thermostat-Ventilen sind die meisten Wassermengen volumenvariabel.
Download Auszug Manuskript für "Taschenbuch der Heizungs- und Klimatechnik" Ausgabe 2001