ED 03/14 Der Preis des Holzes (S.16/17)

Potenziale der Biomasse

Biogas-Speicherkraftwerke: Flexibel, schnell und billig

Die Regierung kümmert sich um die Stabilität unserer Stromversorgung auch an wind- und strahlungsarmen Tagen. Das ist gut. Dass sie dabei auf eine ganze Flotte neu zu bauender Gaskraftwerke setzt, ist jedoch die teuerste Lösung und ein Rückschlag für den Klimaschutz.
Von Klaus Kuhnke

(29. Mai 2024) Die wesentlich günstigere und klimafreundlichere Lösung sind flexibel betriebene Biogasanlagen als Speicherkraftwerke. Sie laufen nur, wenn ihr Strom wirklich gebraucht wird. So füllen sie die Lücke, wenn der Strom im Netz mal knapp ist. Dezentral, in Bürgerhand, wirtschaftlich für die Betreiber. Sie brauchen keine Prämie für die vorgehaltene Leistung, keine staatliche Vorfinanzierung und keine neuen Stromautobahnen, denn Biogasanlagen gibt es schon überall.

 ED 01/2024 Biogas-Speicherkraftwerke: Flexibel, schnell und billig (S.30) 

Dr. Klaus Kuhnke │ Prof. a.D. der Hochschule Osnabrück, Schwerpunkte Erneuerbare Energien, Physik, Messtechnik. Vorstand im Solarenergieverein Osnabrück 

Viel Leistung an wenigen Tagen

Biogasanlagen werden flexibel, wenn sie, statt kontinuierlich in Betrieb zu sein, nur an wenigen Stunden oder Tagen laufen, dann aber mit entsprechend erhöhter Leistung. Dafür werden sie mit vier- oder achtmal stärkeren Motoren und Generatoren ausgerüstet. Die Regierung rechnet für die wind- und strahlungsarmen Tage im Jahr mit einem Kraftwerksbedarf von 30 Gigawatt (GW). Davon können die heutigen Biogasanlagen, wenn man sie flexibilisiert und als Speicherkraftwerke ausrüstet, schon jetzt 15 GW liefern. 

Stromlückenproblem gelöst

Wir brauchen also nur die doppelte Anzahl von Biogasanlagen – und haben damit das Stromlückenproblem der Bundesregierung gelöst. Und das, ohne ein einziges neues Gaskraftwerk zu bauen. Auch die Maisfelder fürs Biogas müssen hierfür nicht mehr werden, denn es wird ja nicht viel mehr Energie gebraucht, sondern nur viel Leistung an wenigen Tagen.

 ED 01/2024 Biogas-Speicherkraftwerke: Flexibel, schnell und billig (S.30) 

Biogaskraftwerke könnten den Neubau von Gaskraftwerken überflüssig machen und auf diese Art viel Geld einsparen.

Biogas-Speicherkraftwerke haben bis jetzt im Schatten von Sonne und Wind wenig Beachtung gefunden. Aber sie sind heute schon wirtschaftlich und müssen nicht vom Staat vorfinanziert werden. Die Bundesregierung ist gut beraten, wenn sie die Ausschreibung für ihre neuen Gaskraftwerke flexibel genug ausgestaltet, so dass auch die viel wirtschaftlicheren, fossilfreien und klimafreundlichen Biogas-Speicherkraftwerke mit angeboten werden können.

Robert Wasser vom Netzwerk Flexperten fragt: „Ohne Steuergelder, fossilfrei, klimafreundlich, wirtschaftlich und in Bürgerhand – was wollen wir mehr?“     

Fl(ex)perten: „Die Bedeutung von Biogas für die Energiewende“

EU-Hilfestellung für Energiegemeinschaften

Von Aribert Peters

Energiegemeinschaften sind laut EU eines der Schlüsselelemente für die Umsetzung der Energiewende in der Europäischen Union: Bis 2050 könnte die Hälfte der EU-Bürger etwa die Hälfte der erneuerbaren Energie in der EU erzeugen.

  • Die EU-Kommission bietet im Internet technische Hilfestellung für Energiegemeinschaften an.
  • Ferner hat sie in einem dreibändigen Bericht (1/2024) Informationen zu Energiegemeinschaften zusammengetragen.
    Band 1 beschäftigt sich mit Hindernissen und Möglichkeiten.
    Band 2 beschäftigt sich mit der Entwicklung des Rechtsrahmens für Energiegemeinschaften.
    Band 3 ist ein Handbuch für die Entwicklung von Energiegemeinschaften
  • Weitere Hilfestellung bietet die europäische Vereinigung der Bürgerenergiegemeinschaften an unter dem Motto Energiewandel zur Energiedemokratie. www.rescoop.eu

Biomasse-Potenziale in Deutschland

Zwei von weltweit 40 Millionen Quadratkilometern Waldfläche könnten in nachhaltiger Forstwirtschaft genutzt den weltweiten Jahresölbedarf decken, so Hermann Scheer. Zwanzig Prozent des weltweiten jährlichen Zuwachses an Biomasse könnten den Primärenergiebedarf der Menschheit decken. Wie hoch ist das Biomasse-Potenzial im dicht besiedelten und energiehungrigen Deutschland?

(6. Juni 2004, aktualisiert Sept 2011) - Zur Biomasse zählen Energiepflanzen, Ernterückstände (Stroh, Restholz) sowie organische Reste (Gülle, Industrierestholz, Klärschlamm). Wie viel Biomasse wächst in den Wäldern und Feldern Deutschlands jährlich?

Die Studie "Analyse und Bewertung der Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse" 2004 bis 2006 im Auftrag des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW, Berlin) und der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW, Bonn) untersuchte ausgewählte Biomasseanwendungen in Deutschland mit Schwerpunkt auf der Erzeugung von Biogas.

Rechnet man mit einem Hektarertrag von 50.000 Kilowattstunden (entsprechend zwölf Tonnen Trockenmasse je Hektar), so wachsen auf den 10,4 Millionen Hektar deutscher Waldfläche jährlich zehn Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs (circa 4.000 Milliarden Kilowattstunden). Auf den doppelt so großen landwirtschaftlichen Flächen wächst Biomasse mit einem Energieinhalt, der weiteren 20 Prozent des derzeitigen deutschen Energiebedarfs entspricht.

535 Biomassepotenzial in Deutschland

Damit ist der Rahmen klar, in dem sich die Biomasse-Nutzung in der Bundesrepublik bewegt: Zwischen heutigen drei Prozent und fiktiven 30 Prozent, wenn alle Wald- und Ackerflächen zur Energiegewinnung genutzt würden. Der von der Bundesregierung angestrebte Anteil von acht Prozent ist ein ehrgeiziges Ziel.

Acht Prozent möglich

Martin Kaltschmitt hat die mögliche Nutzung von Biomasse in Deutschland untersucht - unter anderem im Auftrag des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU). Ergebnis: Biomasse-Nutzung könnte jährlich etwa acht Prozent (1.200 Petajoule) zur Deckung des deutschen Primärenergieverbrauchs beitragen.

Dabei wurden nur die technisch, ökologisch und nach der Gesetzeslage möglichen Beiträge erfasst ("technisches Potenzial"). Der tatsächliche Beitrag der Biomasse liegt derzeit (2003) bei etwa drei Prozent. Mit diesem Beitrag ist Biomasse die wichtigste regenerative Energiequelle: Ihr Beitrag zur Energiebereitstellung ist dreimal höher als der von Windenergie (Bundesministerium für Verbraucherschutz: Konzept zur energetischen Nutzung von Biomasse).

Die Festbrennstoffe, also Holzrückstände aus Wald und Industrie (58 Petajoule) sowie Stroh (130 Petajoule) machen bereits mehr als die Hälfte des Biomasseanteils aus. Biogas, Klärgas und Siedlungsabfälle tragen circa 15 Prozent zum Potenzial bei. Ein Viertel des Potenzials erbringen die Energiepflanzen, die auf Restflächen anbaubar wären.

Deutschland hat circa 30 Millionen Hektar Wald- und Landwirtschaftsfläche. Experten schätzen, dass für den Energiepflanzenanbau circa zwei Millionen Hektar zur Verfügung ständen. Auf dieser Fläche ließe sich ein Energieertrag von 300 Petajoule erzielen.

Stoffstromanalyse-Forschungsprojekt des Umweltministeriums

Zahlreiche Forschungsinstitute haben gerade gemeinsam das Forschungsprojekt "Stoffstromanalyse zur nachhaltigen energetischen Nutzung von Biomasse" fertiggestellt. Sie entwickelten ein Software-Werkzeug zur Unterstützung von Biomassestrategien, das kostenlos zur Verfügung steht.

Das Forschungsprojekt kommt zu folgenden Ergebnissen: Bis 2020 kann die Biomasse einen Anteil von zehn Prozent an der Strom-, Wärme- und Benzinherstellung bereitstellen. Bis 2030 können bei Nutzung der Biomasserest- und Abfallstoffe sowie Energiepflanzenanbau 16 Prozent des Stroms, zehn Prozent der Wärme und 15 Prozent des PKW-Treibstoffs aus Biomasse erzeugt werden und gleichzeitig dadurch der Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent vermindert werden.

Die Stromerzeugungskosten liegen dabei unter fünf Cent je Kilowattstunde und die Wärmekosten unter sieben Cent je Kilowattstunde. Zudem könnten 200.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Insbesondere für ländliche Gebiete liegt der Deckungsanteil der Biomasse deutlich über dem Durchschnittswert der Bundesrepublik. Die Biomasse-Nutzung bringt für diese Regionen auch wesentliche wirtschaftliche Impulse und neue stabile Arbeitsplätze.

Potentiale und Hemmnisse für Biomasse

Biomasse hat als Energieträger in Deutschland bisher eher ein Schattendasein gefristet.

Potentiale und Hemmnisse für Biomasse

Biomasse hat als Energieträger in Deutschland bisher eher ein Schattendasein gefristet. Hauptanwendungsgebiete lagen im Wärmesektor - Verbrennung von Hackschnitzeln und Pellets, Biogasanlagen und Nutzung als Pflanzenöl in Motoren in Autos und Kraftwärme-Kopplungsanlagen. Andere Länder wie z.B. Österreich sind diesbezüglich wesentlich weiter entwickelt. Dort werden bereits 20% des gesamten Energiebedarfs von der Biomasse gestellt. Auch in Schweden nimmt die Biomasse einen deutlich höheren Stellenwert ein als in Deutschland.

(ED 03/2001) Die Biomasse wird bei uns aus mehreren Gründen unterschätzt:

  • Sie gilt im Gegensatz zur Sonnenenergie als veraltet, weil an Kriegs- und Nachkriegszeiten erinnernd. Auch ist sie belastet mit der Erinnerung an das Abholzen von Wäldern.
  • Das gewaltige energetische Potential von Biomasse ist weitgehend unbekannt. Es wird fälschlicherweise eine Flächenkonkurrenz mit dem Nahrungsmittelanbau angenommen.
  • Weil Biomasse in allen Energieverbrauchssektoren eingesetzt werden kann, leidet darunter ihre Profilierung als Energie-Alternative. Es fehlt eine strategische Zuordnung auf einen festen unverwechselbaren Platz im künftigen Energiemix.

Das energetische Potential von Biomasse wird auch deshalb oft unterschätzt, weil es an den Hektarerträgen von Rapsöl mit 1,5 t je Hektar festgemacht wird. Dabei gibt es andere Pflanzen, die einen deutlich höheren Hektarertrag haben, etwa Palmöl mit 10 t je Hektar, Schilfgras und Hirse mit gar über 30 t. Der Engländer David O. Hall, Professor am King"s College, hat sich ausführlich mit den weltweiten Biomassepotentialen befasst. Gegenwärtig gibt es weltweit etwa 10 Mio. qkm landwirtschaftlich genutzte Fläche und 40 Mio. qkm Waldfläche. Die Biomasseproduktion der Waldgebiete beträgt etwa 170 Mrd. t jährlich.

Jahreswachstum von Pflanzen 25 x höher als Jahreserdölförderung

Da 2 t Trockenmasse etwa 1 t Erdöl entsprechen, wächst weltweit in den Wäldern 25 mal mehr Energie nach, als der Jahreserdölförderung von 3,5 Mrd. t entspricht. Fünf Prozent der Weltwaldflächen könnten den jährlichen Jahreserdölbedarf decken. Dabei ist weder der Anbau von Energiepflanzen noch die Neukultivierung semi-arider Gebiete eingerechnet, die weltweit noch einmal 49 Mio. qkm Fläche ausmachen.

535 Waldbrand

letzte Änderung: 27.05.2024