ED 04/21 Dauerbrenner Flüssiggas (S.10-13)
Oberlandesgericht Düsseldorf erhöht Kartellstrafen gegen Flüssiggas-Kartell Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V. am 17. April 2013
Pressemitteilung vom Bund der Energieverbraucher e.V.

Oberlandesgericht Düsseldorf erhöht Kartellstrafen gegen Flüssiggas-Kartell

(17. April 2013) Der 4. Kartellsenat des Oberlandesgerichts hat am 15. April 2013 gegen Unternehmen der Flüssiggasbranche Geldbußen in Höhe von rund 244 Millionen Euro verhängt (Aktenzeichen: VI-4 Kart 2-6/10 (OWi)). Das Urteil ist noch nicht veröffentlicht und noch nicht rechtskräftig.

Das Bundeskartellamt hatte zwischen 2007 und 2009 gegen 11 marktführende Unternehmen der Branche und das von ihnen betriebene Transportunternehmen Transgas sowie 9 verantwortliche Manager Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 250 Millionenhöhe festgesetzt (Az B11-20/05, vgl. Pressemitteilungen des Bundeskartellamts vom 19.12.2007 und 15.04.2009).

Die Bußgeldbescheide des Bundeskartellamts

Die Behörde hatte den Firmen vorgeworfen, zwischen 1997 und 2005 für die Produkte Tankgas und Flaschengas Vereinbarungen dahin getroffen zu haben, sich nicht gegenseitig Bestandskunden abzuwerben. Wechselwilligen Kunden sei auf Nachfrage kein oder ein überhöhter „Abschreckungspreis“ genannt worden. Zur Kontrolle der Absprachen hätten sich die Unternehmen über Kundenanfragen gegenseitig informiert. Der Bescheid gegen Thermogas und seinen ehemaligen Geschäftsführer ist rechtskräftig geworden. Gegen die übrigen Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes hatten die beschuldigten Unternehmen (Drachen-Propangas GmbH, Frankfurt, Friedrich Scharr KG Stuttgart, Sano Propan GmbH Nürnberg, Tyczka Energie KGaA Geretsried, Tyczka Totalgas GmbH Geretsried, Primagas GmbH Krefeld, Propangas GmbH & Co KG Dortmund, Transgas GmbH Dortmund, Westfalen AG Münster, Propan Rheingas GmbH & Co KG Brühl) Einspruch eingelegt.

Drei Jahre Verhandlung vor dem OLG

In den nunmehr zuerst verhandelten Verfahren gegen fünf der Unternehmen sowie das von ihnen betriebene Transportunternehmen Transgas erging jetzt das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Nach einer äußerst umfangreichen Beweisaufnahme über gut drei Jahre hat das Gericht unter dem vorsitzenden Richter Manfred Winterscheidt die Kartellvorwürfe im Bereich „Tankgas“ als im Kern erwiesen angesehen. Auf Basis einer Schätzung der kartellbedingten Mehrerlöse hat es gegen vier der Unternehmen Bußgelder in Höhe von 35, 43, 65 und 100 Millionen Euro verhängt. Diese fielen dabei um bis zu 85% höher aus als vom Bundeskartellamt festgesetzt. Bußgelderhöhend wirkten neben einer abweichenden Schätzung des Mehrerlöses u.a. die Dauer und Schwere der Tat betreffend ein Gut der allgemeinen Daseinsvorsorge. Auch das fünfte Unternehmen und das Transportunternehmen wurden mit Geldbußen belegt. Das Verfahren betreffend die vier weiteren Unternehmen wurde abgetrennt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Es gilt als sicher, dass gegen das Urteil Revision beim BGH eingelegt wird.

Die Story

Im Jahr 2003 hatte eine Gemeinschaft freier Flüssiggasanbieter Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht. Das Bundeskartellamt leitete daraufhin unter seinem damaligen Präsidenten Ulf Böge ein Ermittlungsverfahren ein. Leider hat das Kartellamt seither viel von seinem damaligen Engagement für Verbraucher und Wettbewerb eingebüßt.

Razzia am 3. Mai 2005

Wegen des Verdachts gesetzwidriger Absprachen hat das Bundeskartellamt am 3. Mai 05 bei einer bundesweiten Razzia mehrere Unternehmen der Flüssiggasbranche durchsucht. Zwölf Objekte in fünf Bundesländern waren von Kriminalbeamten in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen durchsucht worden.

Der Bund der Energieverbraucher unterstützt Kartellamt und OLG

Der Bund der Energieverbraucher e.V. hatte das Bundeskartellamt bei der Aufklärung des Sachverhalts unterstützt. Besonders bei der Ermittlung des Schadens waren die laufenden vom Verein ermittelten Marktpreise freier Anbieter sehr wichtig.

Auch im vor dem OLG-Düsseldorf trug der Bund der Energieverbraucher e.V. zur Aufklärung bei. Aribert Peters als Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher, der Flüssiggasexperte des Vereins Gert Gaetke und andere Mitarbeiter des Vereins wurden als Zeugen vernommen. In den über Stunden und Tage andauernden Zeugenbefragungen versuchten die zahlreichen Anwälte der betroffenen Flüssiggas-Unternehmen mit allen Mitteln, die Zeugen unglaubwürdig erscheinen zu lassen und zu verunsichern. Das mag legal sein, spiegelt aber auch das Verhalten mancher Lieferanten im Umgang mit ihren Kunden sehr deutlich wieder.

Schadensersatz der betroffenen Verbraucher

Den durch das Kartell geschädigten Verbrauchern steht nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen § 33 Abs. (3) ein Ersatz des Schadens zu. Erst nach der Rechtskraft der Bußgeldbescheide sind jedoch Schadensersatzprozesse erfolgversprechend. Denn dann gilt der Kartellverstoß als erwiesen und muss nicht erneut unter Beweis gestellt werden.

Der Bund der Energieverbraucher sammelt derzeit die Ansprüche der betroffenen Verbraucher, um sie später dann gebündelt geltend zu machen. Die betroffenen Verbraucher, die zwischen 1. Juli 1997 und 1. Mai 2005 von Drachen-Propangas, Friedrich Scharr KG, Sano-Propan, Tyczka Energie, Tyczka Totalgas, Primagas, Progas, Transgas, Thermogas, Westfalen AG oder Propan Rheingas beliefert wurden, sollten sich unverbindlich melden und ihre Adresse hinterlegen. Dafür kann ein Formular auf www.energieverbraucher.de genutzt werden.

Hintergrund

In Deutschland heizen etwa 585.000 Haushalte mit Flüssiggas. Das sind rund drei Prozent aller Haushalte. Etwa 80 Prozent des Marktes werden von fünf kartellartig organisierten Firmen abgedeckt. Diese Firmen vermieten Tanks langfristig und verpflichten die Verbraucher mit dem Mietvertrag zum ausschließlichen Gasbezug zu dem vom Vermieter festgelegten Preis. Daneben gibt es einen freien Flüssiggasmarkt, auf dem die Preise etwa dreißig bis fünfzig Prozent unter den Preisen des Kartells liegen. Bereits durch eine einzige günstige Tankfüllung könnten Verbraucher den Kaufpreis eines eigenen Tanks erwirtschaften.

Jedoch wird Verbrauchern immer noch der freie Gasbezug auf dem Markt verwehrt und erschwert: Durch Tankmiet-und Lieferverträge schotten die Kartellfirmen ihren Markt ab und unterlaufen den Wettbewerb:

  • Die Kunden werden bei Vertragsabschluss meist falsch informiert und unterschreiben in dem Glauben, einen eigenen Tank erworben zu haben.
  • Viele Verträge haben eine unzulässig lange Laufzeit: Zulässig sind höchstens zwei Jahre, abgeschlossen wird oft auf zehn und mehr Jahre.
  • Die Verträge verpflichten meist zum ausschließlichen Gasbezug und schließen Fremdbetanken aus. Dieses Recht wird rigoros und mit allen Mitteln durchgesetzt.
  • Bei Vertragsende weigern sich die Kartellfirmen meist, die Tanks zu einem angemessenen Restwert abzugeben.
  • Die Verträge enthalten oft unzulässige Preisanpassungsklauseln. Dagegen hat der Bund der Energieverbraucher erfolgreich prozessiert

Der Bund der Energieverbraucher setzt sich seit drei Jahrzehnten für einen freien Flüssiggasmarkt ein. Er informiert im Internet ausführlich, auch über die Preise freier Flüssiggasanbieter.

letzte Änderung: 04.11.2019