Delmenhorster wollen eigene Gasversorgung
(30. Januar 2006) 61 Bürger planen die Unabhängigkeit von großen Versorgern und wollen eine Gasgenossenschaft gründen.
AktivistInnen aus dem Bürgerforum/ Neue Wege planen die erste Gasgenossenschaft in Deutschland, um sich unabhängig von den etablierten Anbietern zu machen. Die Genossenschaft will selbst Gas von einem Großhändler beziehen und es an ihre Mitglieder weiterverkaufen.
Den theoretischen Rahmen für die Delmenhorster Idee liefert das Energiewirtschaftsgesetz, das seit Juli 2005 in Kraft ist. Nach Paragraf 20 soll "jedermann" Netzzugang erhalten, und zwar "diskriminierungsfrei".
Zu welchen Bedingungen die Gasnetzbetreiber die Ein- und Ausspeisung von Gas anbieten wollen, steht noch nicht fest. Die Anbieter müssen die Preise aber laut Gesetz zum 1. Februar öffentlich machen.
"Wir wollen eine Genossenschaft, weil das die demokratischste Rechtsform ist", sagt Eva Sassen. Die Delmenhorsterin hatte die Idee zu der Gasgenossenschaft. Die Preisstruktur werde für jeden transparent, es entstehe ein Gegenpol zum Filz der Energiebranche. "In einem Jahr wollen wir unsere Genossenschaftsmitglieder mit Gas beliefern - und langfristig auch noch weitere Kunden gewinnen", so Sassen.
Eva Sassen will unabhängig sein von den Delmenhorster Stadtwerken. "Warum sollten wir nicht russisches Gas über die Ukraine beziehen?" Angeblich liegt schon ein Angebot eines "internationalen Gasgroßhändlers" vor, der der Genossenschaft bis zu 20 Millionen Kubikmeter Gas pro Stunde liefern will. Wer der Anbieter ist, will Frau Sassen aber noch nicht sagen - "wir wollen erst mal auch andere Angebote abwarten".
Die Eon Ruhrgas AG will die Genossenschaft jedenfalls nicht beliefern. "Wir haben Verträge mit großen Industriekunden und Vertriebspartner wie zum Beispiel Stadtwerke. Derzeit sehen wir keine Veranlassung, diese Strategie zu ändern", so Unternehmenssprecher Helmut Roloff. Auch die Stadtwerke in Delmenhorst halten sich zurück. "Wenn fachliche Laien in den Gasmarkt einsteigen wollen, halte ich das für schwierig", sagt Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen. "Sicher wird es bald Unternehmen geben, bei denen man sich auch das Know-how für den Gasmarkt einkaufen kann. Das wird dann aber teurer."
Außerdem sei fraglich, ob die Gasgenossenschaft die gesetzlichen Anforderungen erfüllen kann. Das Gesetz fordere zum Beispiel eine detaillierte Rechnungslegung, für die umfangreiche Software notwendig sei.
Mathias Fiedler vom Verband deutscher Konsumgenossenschaften kann sich die skeptische Haltung der etablierten Energielieferanten erklären. "Jeder mögliche Wettbewerber wird erst mal kleingeredet." Das Potenzial für eine Gasgenossenschaft gebe es in Deutschland auf jeden Fall. Schließlich hätten mittlerweile mehr als 500.000 Menschen Widerspruch gegen die steigenden Gaspreise eingelegt. Außerdem zeigten laut Fiedler die Beispiele anderer Energiegenossenschaften, dass das Modell funktionieren kann. "Greenpeace energy wollte auch niemand ernst nehmen. Diese Genossenschaft wächst aber immer weiter, und mittlerweile geht es ihr sehr gut."
Auch Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher räumt der Delmenhorster Idee gute Chancen ein. "Langfristig kann eine Genossenschaft eine Option sein, um günstigere Gaspreise zu erzielen", sagt er. Rund 4.000 GenossInnen sind laut Sassen für eine Gründung mindestens notwendig, damit die AktivistInnen wirtschaften können. 61 Delmenhorster haben schon eine Absichtserklärung, der Genossenschaft beizutreten, abgegeben. Jetzt will man die Aktivitäten auf das gesamte Bundesgebiet ausweiten. evasassen@web.de Nach einem Beitrag von HEIKE SCHMIDT in der TAZ